Weltbevölkerungstag

München

Weltbevölkerungstag
Ist der 11. Juli ein Tag wie jeder andere?
Angesichts weltweit sinkender Rohstoffressourcen, steigenden Energiebedarfs und der drohenden Lebensmittelknappheit in den ärmsten Regionen der Welt gewinnt der UNO-Weltbevölkerungstag am 11. Juli an Bedeutung. Allianz Experten beantworten Fragen zu den Herausforderungen einer stets wachsenden Weltbevölkerung.
Seit 1989 wird der Weltbevölkerungstag von den Vereinten Nationen jedes Jahr am 11. Juli begangen, um global das Bewusstsein für die Belange der Weltbevölkerung zu schärfen. Seither veröffentlichen die Vereinten Nationen regelmäßig Daten zur Entwicklung des Bevölkerungswachstums und der wirtschaftlichen Entwicklung der Industrie- und Entwicklungsländer. Statistiken des United Nations Population Fund zeigen, dass zurzeit ca. 6,5 Milliarden Menschen auf der Welt leben. Jährlich wächst diese Zahl um knapp 80 Millionen Menschen; bis 2050 werden es etwa 9,2 Milliarden sein.
Die Fakten sind ernüchternd
Die weiter wachsende Weltbevölkerung stellt die internationale Staatengemeinschaft mit Blick auf die Millenium-Ziele aus dem Jahr 2000 zur Bekämpfung der Armut und ihrer Folgen weiterhin vor große Herausforderungen:
Rund 1,2 Milliarden Menschen leben in extremer Armut, das bedeutet, dass Sie weniger als einen US-Dollar am Tag zur Verfügung haben. Weitere 2,7 Milliarden Menschen müssen mit weniger alszwei US-Dollar auskommen.
852 Millionen Menschen leiden an chronischer oder akuter Unterernährung, 300 Millionen davon sind Kinder. Jedes Jahr sterbenelf Millionen Kinder vor der Vollendung ihresfünften Lebensjahres.
40 Millionen Menschen sind mit HIV infiziert. 2004 starben 3,1 Millionen Menschen an den Folgen von AIDS, darunter 500.000 Kinder unter 15 Jahren.
Die Lebenserwartung liegt in den ärmeren Regionen der Welt bei durchschnittlich 51 Jahren; in den Industrieländern liegt sie bei durchschnittlich 76 Jahren.
114 Millionen Kinder erhalten keine Grundschulausbildung; 584 Millionen Frauen sind Analphabeten.
Jürgen Stanowsky, Wirtschaftswissenschaftler bei Allianz Dresdner Economic Research und Hans Jörg Naumer, Leiter Kapitalmarktanalyse von Allianz Global Investors, geben Antworten auf die Frage, wie wir bei einer stets wachsenden Bevölkerung das Wirtschaftswachstum sinnvoll fördern und gleichzeitig effektiv gegen extreme Armut kämpfen können.
Herr Stanowsky, Sie beschäftigen sich in Ihrer täglichen Arbeit mit den demografischen Entwicklungen der Industrie- und Entwicklungsländer. Worin sehen Sie die größten Herausforderungen der demografischen Entwicklung?
Jürgen Stanowsky: Bei den meisten Entwicklungsländern steht das Bevölkerungswachstum an erster Stelle. Die rund 80 Millionen Menschen, um die die Weltbevölkerung jährlich steigt kommen in erster Linie dort hinzu. Es gilt, Wohnraum und Schulen zu schaffen. Man darf aber auch nicht vernachlässigen – und momentan ist das besonders brisant – dass in diesem Maße auch die Nahrungsmittelnachfrage steigt. In den entwickelten Ländern ist die Alterung der Bevölkerung das vordringlichste Problem. Allen voran die Gesundheitsausgaben aber natürlich auch die Rentenkassen sind negativ davon betroffen. Die Ausgaben steigen schneller als die Einnahmen. Man steht hier vor der Wahl, die Leistungen zu rationieren bzw. zu kürzen oder aber Steuern, Beiträge oder private Vorsorgeleistungen zu erhöhen. Langfristig könnte auch das Wirtschaftswachstum leiden. Der Schlüssel um dies zu verhindern, liegt in der Bildungspolitik, da müssen neue Akzente gesetzt werden.
Die demografische Entwicklung ist ja zunächst einmal irreversibel, sehen Sie dennoch Möglichkeiten die Härten der demografischen Entwicklung abzufedern, vor allem in den Entwicklungsländern?
Stanowsky: In der vergangenen Jahren wurde schon viel erreicht. Bessere Bildungsmöglichkeiten – vor allem für Frauen – und eine bessere Einkommensentwicklung sind die Schlüsselgrößen, um dem Bevölkerungsanstieg und seinen Folgen zu begegnen. Aktuell ist sicherlich die Versorgung mit erschwinglichen Nahrungsmitteln ein vordringliches Problem. Mittelfristig muss wieder mehr in den Agrarsektor investiert werden. Die Erfahrung zeigt auch, dass verlässliche Institutionen Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung darstellen. Die Programme der großen internationalen Institutionen, wie beispielsweise der Weltbank laufen in diese Richtung. Gerade auch in Afrika gibt es viel Anlass zu Optimismus.
Man spricht in diesem Zusammenhang von einem ‚Demographic Window‘. Was ist das?
Stanowsky: Dabei geht es in erster Linie um eine eher statistische Betrachtung. Verglichen wird der Anteil der theoretisch ökonomisch aktiven Bevölkerung, der auch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht – das sind typischerweise alle zwischen 15 und 64 Jahren – mit dem inaktiven Teil. Fällt die Geburtenrate, geht die Zahl der – ökonomisch inaktiven – Kinder zurück. Die Anteile in der Bevölkerung verschieben sich zu Gunsten der potentiellen Arbeitskräfte. Wenn diese nach 30 – 40 Jahren alt sind, schließt sich das Fenster wieder, da nun relativ schwach besetzte Jahrgänge auf dem Arbeitsmarkt sind. Die UN beschreibt dieses ‚Fenster‘ mit einem Anteil unter 15-Jähriger von unter 30 Prozent und über 65-Jähriger von unter 15 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Global gesehen hat sich dieses Fenster gerade geöffnet und wird die nächsten rund 40 Jahre offen bleiben.
Wie können Unternehmen auf die demografische Entwicklung in den Entwicklungsländern reagieren?
Stanowsky: Da das Bevölkerungswachstum und zu einem guten Teil auch das Wirtschaftswachstum in den sich entwickelnden Ländern stattfindet, bilden sich dort interessante Märkte heraus, auch wenn anfangs die Kaufkraft potentieller Kunden noch gering ist. Ein anderer Aspekt ist die Talentsicherung, auf Dauer werden die Unternehmen in den entwickelten Länder auf Arbeitskräfte aus den sich entwickelnden Ländern angewiesen sein. Entweder indem sie Produktion oder andere Aktivitäten dorthin verlagern oder aber Arbeitskräfte importieren. Es ist auch denkbar, dass Unternehmen dort direkt in die Schul- und Ausbildung potentieller Mitarbeiter investieren.
Herr Naumer, Sie bezeichnen die globale demografische Entwicklung als ‚Investmentchance‘. Warum?
Hans Jörg Naumer: Demografie ist ein weltweit wirkender Trend. Bis zum Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung voraussichtlich um ca. 40 Prozent auf überneun Milliarden Menschen wachsen. Statistisch heißt das: Jede Sekunde kommen 2,6 Menschen zusätzlich auf diesem Planeten hinzu. Lediglich für Europa ist mit einem Rückgang der Bevölkerung zu rechnen. Die vier anderen Kontinente wachsen weiter; am dynamischsten Afrika und Asien.
Die Welt wird sich also durch die unterschiedlichen demografischen Entwicklungen stark verändern.
Naumer: Es kommt – demografisch betrachtet – zu einer Teilung der Welt: Während der eine Teil, die Industriestaaten, altert, bleibt der andere Teil vergleichsweise jung und legt an Bevölkerung weiter zu. In diesem Teil der Welt, den ‚aufstrebenden Staaten‘, trifft ein dynamisches Bevölkerungswachstum auf ein ebenso dynamisches Wirtschaftswachstum.
Welche sinnvolle Investitionschancen sehen Sie für Anleger?
Naumer: In den alternden Bevölkerungen wird es überwiegend zu Nachfrageverschiebungen kommen. Wer davon profitieren will, muss sich also zuerst fragen: Welches Produkt, welches Unternehmen ist am besten auf die Alterung der Konsumenten eingestellt? Der Pharmasektor ist hier sicher zu nennen, aber auch zum Beispiel der Bedarf nach altersgerechten Freizeitbetätigungen oder ein steigender Bedarf an Sicherheitsdienstleistungen. Rohstoffe inklusive Energie zählen vor allem durch die ‚aufstrebenden Staaten‘ zu den Gewinnern. Der Rohstoffbedarf steigt nicht nur durch die quantitativ steigende Weltbevölkerung, es kommt auch zu einem ‚qualitativen‘ Wachstum: Mit höherem Wohlstand wird auch der Konsum rohstoffintensiver. Der Nachholbedarf ist riesig. Holzschnittartig: Durchschnittlich kommen auf einen Deutschen pro Jahr16 Kilogramm verarbeitetes Kupfer, auf einen Chinesen nur zwei. Für Aluminium gilt eine ähnliche Relation. Ein Amerikaner verbraucht im Jahr26 Barrel Öl (das sind über 4.000 Liter), ein Mexikaner etwas mehr als sechs, ein Chinese knapp zwei. Dazu kommt: Energie- und – als Folge des Klimawandels – ‚Umweltknappheit‘ erzwingen immer stärker den Einsatz nachwachsender Energieträger. Diese haben den Vorteil, dass sie nicht nur das kostbare Erdöl ersetzen, sondern im Idealfall CO2-neutral wirken: Sie setzen während der Verbrennung gerade so viel CO2 frei, wie sie zuvor auf dem Weg beispielsweise zum Biodiesel der Umwelt entzogen haben.
Die steigenden Lebensmittelpreise zeigen uns aber, dass die demografische Entwicklung nicht nur ein Segen ist, oder?
Naumer: Das ist in der Tat eine große Herausforderung. Wohlstand und Bevölkerungswachstum sorgtenzum Beispieldafür, dass sich der Fleischkonsum von 1944 bis 2004 versechsfacht hat. Ein Kilogramm Fleisch entspricht aber in der Herstellung sieben Kilogramm Weizen. Der Bedarf an Anbaufläche steigt also um ein Vielfaches. Aber auch hier sehe ich eine Investmentchance, von der alle profitieren können. Wer zum Beispiel in Agrarunternehmen investiert, investiert nicht nur in Unternehmen, die von diesem Nachfragetrend profitieren, er stellt diesen Firmen auch Kapital zur Verfügung, damit sie die Effizienz steigern und die Produktion ausweiten können – trägt also dazu bei, dass die Nahrungsmittelpreise wieder etwas sinken können.
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen oben rechts zur Verfügung gestellt wird.
Kontakt für Presse
Claudia Mohr-Calliet
Allianz Global Investors
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