Claims Conference hat 5.755 Holocaust-Überlebende binnen 90 Tagen Budapest Fonds ausgezahlt
CONFERENCE ON JEWISH MATERIAL CLAIMS AGAINST GERMANY INC.
OFFICE FOR GERMANY
PRESSEMITTEILUNG
27. November 2008
Claims Conference hat 5.755 Holocaust-Überlebende binnen 90 Tagen Budapest Fonds ausgezahlt
November 2008 – Julius Berman, der Vorsitzende der Conference on Jewish Material Claims Against Germany (Claims Conference) teilte mit, dass die Claims Conference insgesamt 10,9 Millionen Euro an 5.755 jüdische Überlebende aus dem von Nazi-Deutschland besetzten Budapest im Rahmen des neuen „Budapest Fonds“ ausgezahlt hat. Die Zahlungen konnten in nur 90 Tagen ab Bekanntmachung des Programms im August 2008 durchgeführt werden und erreichten 98 Prozent der Personen, die einen Antrag im Rahmen des Programms gestellt haben.
In Verhandlungen mit der Deutschen Regierung hatte die Claims Conference die Einrichtung des Fonds erreicht. In Anerkennung der Inhaftierung und des Leidens der Überlebenden aus Budapest, können jüdische NS-Opfer aus dem besetzten Budapest, die heute in Osteuropa leben und keinerlei Zahlungen aus anderen großen Entschädigungsprogrammen (wie unten aufgeführt) erhalten haben, möglicherweise eine Leistung in Höhe von 1.900 € aus dem Budapest Fonds der Claims Conference bekommen.
Die Auszahlung an betagte Überlebende, deren Verfolgung in Budapest bisher von Deutschland nicht anerkannt war, stellte eine deutliche Priorität für die Claims Conference dar. ‚Wir haben uns erfolgreich um eine schnelle Bearbeitung und Auszahlung der Ansprüche bemüht, damit die betagten Überlebenden noch zu Lebzeiten ein Mindestmaß an Gerechtigkeit erfahren‘, sagte der Vorsitzende der Claims Conference Julius Berman.
„In keinem von der deutschen Wehrmacht besetzten Land war der Holocaust effektiver und industrieller organisiert als in Ungarn. Die jüdische Bevölkerung im besetzten Budapest war für die Deportation und Vernichtung bestimmt und war Opfer schrecklichster Verfolgungsmaßnahmen. Die Anerkennung dieses Leids ist eine bedeutende, längst überfällige Geste an die Überlebenden aus Budapest“, erklärte Georg Heuberger, der Repräsentant der Claims Conference in Deutschland.
Die Claims Conference hat diese Frage über Jahre hinweg der Deutschen Regierung im Rahmen ihrer jährlichen Verhandlungen mit Nachdruck vorgetragen; sie geht davon aus, dass insgesamt rund 6.000 Überlebende leistungsberechtigt sein werden.
Um das Verfahren zu rationalisieren und die Mittel schnellst möglich zu verteilen, hatte die Claims Conference kurze und verständliche Verzichtserklärungen, die von der Bundesregierung verlangt werden, an 5.790 Überlebende verschickt, von denen vermutet wurde, dass sie für eine Zahlung berechtigt waren. Überlebende, die glauben, berechtigt zu sein, aber keinen solchen Brief erhalten, sind weiterhin aufgerufen, einen Antrag zu stellen.
Zahlungen werden nach Bearbeitung der auch weiterhin eingehenden Anträge durchgeführt. Detaillierte Informationen sind erhältlich unter www.claimscon.orgoder können beim Budapester Büro der Claims Conference unter der Telefonnummer 1-374 3078 oder per E-mail unter Budapest@claimscon.orgabgerufen werden. Die Antragsfrist endet am 6. August 2009.
„In Anbetracht des fortgeschrittenen Alters der Überlebenden hat die Claims Conference schnell und effizient gehandelt, um die Anträge zu bearbeiten und zur Auszahlung zu bringen. Es hat mehr als 60 Jahre gedauert, bevor Deutschland die Leiden der Überlebenden der Besetzung Budapests durch Nazi-Deutschland anerkannt hat. Meine Organisation hat immer auf eine umgehende Aufnahme von Verhandlungen gedrängt. Die Claims Conference hat sich des Problems angenommen und sich in ihren Verhandlungen immer wieder dafür eingesetzt. Die Überlebenden sind der Claims Conference dafür dankbar“, sagte Peter Feldmajer, der Präsident der jüdischen Gemeinden in Ungarn.
Historische Fotos von jüdischen Opfern aus Budapest während der NS-Besetzung und aus dem Budapester Ghetto sind unter www.claimscon.org/budapestghettoeingestellt. Diese Fotos stehen den Printmedien zur Verfügung.
Geschichte
Nur einen Tag nach der Besetzung Ungarns durch die deutschen Streitkräfte am 19. März 1944 kam Adolf Eichmann nach Ungarn, um die Deportation der ungarischen Juden nach Auschwitz durchzuführen. Schon nach wenigen Wochen ergingen Erlasse zur vollständigen Entrechtung der Juden, für deren Konzentrierung in Ghettos und für die Deportation. Einziges Ziel der Aktion war die Ermordung aller 725.000 in Ungarn lebenden Juden.
Am 5. April 1944 wurde der Befehl erlassen, den gelben Stern zu tragen. Er bildete den Anfang der öffentlichen Marginalisierung der Juden. Am 3. Mai folgten die Befehle zur Registrierung aller Wohnungen und Häuser in Budapest, die Juden gehörten, um so die Konzentrierung der jüdischen Bevölkerung in bestimmten Gebäuden in der Stadt vorzubereiten. Diese Gebäude wurden „Sternhäuser“ (sárga csillagos házak) genannt. Am 16. Juni 1944 wurde der Befehl zur Konzentrierung der jüdischen Einwohner erlassen; er regelte unter anderem, dass die Häuser mit einem gelben Davidstern markiert werden sollten, um sie mühelos zu identifizieren.
Binnen einer Frist von acht Tagen konnte kein Budapester Jude mehr außerhalb eines „Sternhauses“ leben. Jeder jüdischen Familie wurde nur ein Raum zugewiesen. Rund 200.000 Juden zogen in 1.948 Häuser. Da die Häuser nur niedrigen Wohnstandard hatten und zudem permanent Gebäude für die Verwendung durch deutsche oder ungarische Behörden evakuiert wurden, verschlechterten sich die Lebensbedingungen kontinuierlich. Die meisten Juden hatten ihr Hab und Gut in ihren eigenen Wohnungen zurück lassen müssen, so dass sie kaum Möbel besaßen und oft auf dem Boden schlafen mussten. Sie durften das Haus nur zwischen 14.00 und 17.00 Uhr verlassen.
Am 22. April 1944 wurden die Lebensmittelrationen für die jüdische Bevölkerung drastisch reduziert. Ab dem 1. Mai erhielten sie weder Butter, noch Eier, Reis oder Paprika und Fleisch wurde auf eine Wochenration von 100 Gramm reduziert. Die Budapester Juden erhielten damit kleinere Fleischrationen als die Häftlinge deutscher Konzentrationslager, die laut einer Lebensmittelliste aus dem Jahr 1944 200 Gramm in der Woche hätten erhalten sollen. Selbst diese höchst unzureichenden Rationen waren für Juden oft nicht erreichbar, da sie nur am Nachmittag, wenn Lebensmittel bereits größtenteils ausverkauft waren, das Haus verlassen durften. Nach dem 16. Oktober, als die Lebensmittelversorgung für die jüdische Bevölkerung für zehn Tage abgeschnitten worden war, wurden die Rationen nochmals reduziert, so dass die Tagesration an Brot nur noch 100 – 150 Gramm betrug. Mit 300 Gramm war die Tagesration an Brot in den deutschen Konzentrationslagern laut bereits zitierter Lebensmittelliste doppelt so groß. In der Folge verhungerten viele Budapester Juden.
Die strikte Ausgangssperre bedeutete auch, dass es keine adäquate medizinische Versorgung für Kranke gab. Einzig Medikamente, Verbandzeug und medizinisches Gerät, die mitgebracht worden waren, standen zur Verfügung; wenn diese aufgebraucht waren, gab es keinen Ersatz. Mangels medizinischer Versorgung und wegen der durch Auszehrung erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten wurden viele Juden Opfer von Epidemien. Die Situation verschlechterte sich nochmals im Oktober 1944, als die Pfeilkreuzler die Macht übernahmen, denn die Juden durften in den folgenden zehn Tagen die „Sternhäuser“ nicht verlassen. Auch die Todkranken erhielten keine Hilfe und die Leichen blieben bis zu anderthalb Wochen in den Häusern liegen. Nur in wenigen Ausnahmefällen erhielten Juden zumeist unzureichende Hilfe.
Die jüdische Bevölkerung in den „Sternhäusern“ lebte unter ständiger Todesdrohung und hatte unter Übergriffen zu leiden. Nur wenige Tage nach der Besetzung Ungarns gab es im ganzen Land Überfälle auf Juden sowie Misshandlungen und Plünderungen durch Mitglieder der Wehrmacht und der Waffen-SS. Im Zuge der Ghettoisierung und der Machtübernahme durch Ferenc Szálasi im Oktober 1944 begannen organisierte Pfeilkreuzlerbanden und verschiedene andere Gruppen Juden zu entführen und zu ermorden. Diese als Todesschwadronen bezeichneten Banden entführten Juden, von denen sie annahmen, dass sie vermögend waren, erpressten und folterten sie und ermordeten sie schließlich. Deutsche Soldaten und ungarische Polizisten beteiligten sich an solchen äußerst brutalen Übergriffen. Auch sie folterten, um an vorgeblich versteckte Reichtümer zu gelangen. Tausende Juden starben bei diesen Übergriffen oder begingen Selbstmord, um der Folter zu entgehen.
Obwohl es keine genauen Zahlen der Ermordeten gibt, gehen Schätzungen davon aus, dass uniformierte Pfeilkreuzler allein in der Hauptstadt 10.-20.000 Juden ermordeten, also zwischen einem Zwölftel und einem Sechstel der in Budapest lebenden jüdischen Bevölkerung.
Im Sommer 1944 bereiteten Deutsche und Ungarn unter Anleitung Eichmanns die Deportation der Budapester Juden nach Auschwitz vor. Obwohl die Deportationen von der ungarischen Regierung vorläufig gestoppt wurden, lebten die Juden in Budapest in ständiger Angst.
Juden wurden auch zur Zwangsarbeit eingezogen. Viele Juden aus den „Sternhäusern“ mussten Gräben rund um Budapest ausheben. Diejenigen, die keine Schwerstarbeit leisten konnten, wurden oftmals erschossen. Im Oktober 1944 wurden rund 50.000 Juden aus Budapest auf einen Fußmarsch in das Deutsche Reich gezwungen, wo sie Zwangsarbeit leisten mussten. Als sie die ungarische Westgrenze erreichten, waren bis zu 7.000 Personen auf dem Marsch erschossen worden und weitere 2.000 an Erschöpfung gestorben. Von den geschätzten 35.000 Juden, die entlang des sogenannten Westwalls eingesetzt wurden, starben 11.000 in den folgenden sechs Monaten. Jeder Dritte der aus Budapest deportierten Juden starb infolge dieses Zwangsarbeitseinsatzes.
Die gewalttätigen Übergriffe, die brutale Behandlung bei der Zwangsarbeit und die Anzeichen für die bevorstehende Deportation bedeuteten für die Budapester Juden ein Leben unter ständiger Todesdrohung.
Im November 1944, ordnete die Pfeilkreuzler-Regierung an, die in Budapest verbliebene jüdische Bevölkerung in ein geschlossenes Ghetto zu übersiedeln. Zwischen Dezember 1944 und Ende Januar 1945 trieben die Pfeilkreuzler rund 20.000 Juden aus dem Ghetto, erschossen sie am Donauufer und warfen die Leichen in den Fluss.
Die Sowjetarmee befreite Budapest am 13. Februar 1945. Mehr als 100.000 Juden befanden sich zum Zeitpunkt der Befreiung in Budapest.
Berechtigung für Zahlungen
Zahlungen im Budapest Fonds erhalten nur Personen, die heute ihren ständigen Wohnsitz in einem der Länder des früheren Ostblocks haben. Personen, die eine Entschädigung für ihre NS-Verfolgung aus dem Mittel- und Osteuropa-Fonds, dem Artikel 2-Fonds, dem Hardship Fund, nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) oder vom Israelischen Finanzministerium basierend auf dem Gesetz für „Invaliden der Nazi-Verfolgung“ erhalten oder erhalten haben, sind für eine Zahlung aus dem Budapest Fonds nicht berechtigt.
Die Frist zur Antragstellung endet am 6. August 2009.
Sonderrechtsnachfolger – Ehegatte oder falls nicht vorhanden Kind(er) – können berechtigt sein, wenn der Überlebende selbst alle aufgeführten Kriterien erfüllt und am 4. Juni 2008 oder danach am Leben war. Der Sonderrechtsnachfolger muss die Claims Conference bis zum 31. August 2009 schriftlich darüber informieren, dass er den Antrag aufrechterhalten möchte. Sonderrechtsnachfolger müssen einen gesonderten Antrag stellen (Heir Application Packet, HAP); das Formular wird bei der Claims Conference erhältlich sein und muss bis zum 6. November 2009 ausgefüllt zurückgeschickt werden.
In Übereinstimmung mit früheren Regelungen der Deutschen Regierung für die Berechtigung in Entschädigungsprogrammen werden im Budapest Fonds auch Anträge von Antragstellern akzeptiert, die zur Zeit der Verfolgung der Mutter Föten waren. Die Mutter des Antragstellers muss mit ihr/ihm schwanger gewesen sein, als sie in Budapest zu einem Zeitpunkt zwischen März 1944 und Januar 1945 verfolgt wurde; der Antragsteller selbst muss alle anderen Erfordernisse erfüllen.
Diese Ankündigung umreißt die Berechtigungskriterien nur und ist nicht verbindlich für eine Berechtigung. Die vollständigen Berechtigungskriterien für den Budapest Fonds sind dieser Ankündigung beigelegt und unter www.claimscon.orgzu finden
Die Conference on Jewish Material Claims Against Germany (Claims Conference) ist der 1951 gegründete Dachverband 24 internationaler jüdischer Organisationen. Sie vertritt die Interessen der jüdischen Gemeinschaft bei Verhandlungen zur Entschädigung von NS-Opfern und deren Erben. Im Auftrag der Bundesregierung verwaltet die Claims Conference verschiedene Härtefonds und ist Rechtsnachfolgerin für erbenloses und nicht beanspruchtes jüdisches Vermögen in den neuen Bundesländern. Mit den Verkaufserlösen aus erbenlosem Vermögen fördert sie weltweit eine Fülle von Sozialprogrammen für Überlebende des Holocaust sowie Programme, die der Erinnerung an die Shoah und deren Erforschung gelten.
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