Tiefensee zeichnet erste Gebäude mit deutschem Nachhaltigkeitszertifikat aus
Tiefensee zeichnet erste Gebäude mit deutschem Nachhaltigkeitszertifikat aus
Mit der Verleihung der ersten Zertifikate des „Deutschen Gütesiegels Nachhaltiges Bauen“ hat der Wunsch nach belegbarer Qualität von Immobilien konkrete Formen angenommen. Insgesamt 16 Projekte der Pilotphase wurden jetzt im Rahmen der Bau 2009 in München von Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, und Professor Werner Sobek, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB), mit dem begehrten Zertifikat ausgezeichnet. Es handelt sich um Bauwerke, die in den Jahren 2001 bis 2008 fertiggestellt wurden. Mit dabei ist z. B. das Umweltbundesamt in Dessau. Vergeben wurden drei Zertifikate der Kategorie „Bronze“, sieben der Kategorie „Silber“ und sechs der Kategorie „Gold“. Das Paul-Wunderlich-Haus des Landkreises Barnim in Eberswalde erhielt mit der Gesamtnote von 1,18 das beste Zertifikat.
„Damit verfügt Deutschland über das im internationalen Vergleich vielseitigste und aussagefähigste Zertifizierungssystem“, hebt Rechtsanwalt Werner Dorß von der Kanzlei FPS Fritze Paul Seelig in Frankfurt hervor, die zu den DGNB-Gründungsmitgliedern gehört. Die DGNB hat das Deutsche Gütesiegel gemeinsam mit dem Bundesbauministerium entwickelt. Zertifiziert werden können derzeit Neubauprojekte aus dem Bereich Büro und Verwaltungsbau. Errechnet wird eine Gesamtnote, die neben Technik und Prozessen auch ökologische, ökonomische und soziokulturelle Aspekte berücksichtigt. „So fließen alle Faktoren der Nachhaltigkeit in die Bewertung mit ein“, betont Energierechtler Dorß von FPS, zu deren Mandantenkreis mehrere zertifizierte Objekte gehören. „Dies berücksichtigt vor allem auch Kosten, die im Laufe des Betriebs eines Gebäudes anfallen.“
Bundesbauminister Tiefensee forderte alle Beteiligten in München dazu auf, die derzeitige Wirtschaftskrise als Chance zu begreifen. Er sprach sich für ein erweitertes CO2-Gebäudesanierungs-programm aus, basierend u.a. auf einem Ausbau der KfW-Förderung. Günter Verheugen, Industriekommissar und Vizepräsident der EU-Kommission, stellte das energieeffiziente Bauen und die damit einhergehende Zertifizierung angesichts der CO2-Problematik und der immer wieder auftretenden Versorgungsunsicherheiten im Energiebereich als dritte industrielle Revolution heraus.
Wohin die Entwicklung im Bausektor führen wird, veranschaulichte DGNB-Präsident Professor Sobek mit dem von ihm entwickelten Konzept „Triple Zero“. Für Gebäude müsse es drei klare Ziele geben: Null Energie, also kein höherer Energieverbrauch als die Energiemenge, die das Gebäude im Jahresmittel selbst erzeugen könne. Null Emission im Hinblick auf schädliche Stoffe wie z.B. CO2 und Feinstäube. Null Abfall, was sich darauf bezieht, dass ein Gebäude rückstandsfrei recycelbar sein muss. Sobek verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass in Deutschland der gewichtsbezogene Anteil der Abfälle, die aus dem Abriss von Gebäuden stammen, mehr als die Hälfte des Abfallaufkommens ausmachen. Als Vorbild nannte er die Autoindustrie, der es nach anfänglichen Widerständen gelungen ist, ein außerordentlich hohes Maß der Wiederverwertung zu erreichen.
Vergeben wurden im Rahmen der Bau 2009 zudem zwölf sogenannte Vorzertifikate für Gebäude, die sich noch in der Planungsphase befinden (eins Kategorie „Bronze“, sieben Kategorie „Silber“ und vier Kategorie „Gold“). Das „Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen“ wird für Bauherren bereits sehr früh relevant. Die zu erfüllenden Kriterien werden in der Planungsphase mit den Zertifizierungsstellen festgesetzt. Während der Bauphase erfolgt dann eine kontinuierliche Beobachtung. Abweichungen werden festgestellt und müssen, soll die angestrebte Zertifizierungsstufe erreicht werden, nachgebessert werden.
Als modernes Zertifikat der zweiten Generation überwindet das „Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen“ die systembedingten Bewertungsschwächen anderer Zertifikate, etwa des amerikanischen LEED-Systems, bei dem Defizite in einem Bewertungssegment durch besondere Stärken in einem anderen kompensiert werden können. FPS-Anwalt Dorß: „Das Deutsche Gütesiegel ist ein seriöses, weil minutiös nachvollziehbares, praxis- und wissenschaftsbasiertes Bewertungssystem.“ Ein weiterer Vorteil: Das deutsche System ist ausbaufähig. Die Erfassung anderer Gebäudetypen wie Wohngebäude bis hin zu Infrastrukturbauten wird vorbereitet. Ebenso ist geplant, das System für die Anwendung bei Bestandsgebäuden praxisgerecht anzupassen. Und es können regionale Besonderheiten berücksichtigt werden wie klimatische Verhältnisse, regionale Baustoffe und Baukonstruktionen „Dies ermöglicht es, die Bewertungsmaßstäbe auch in anderen Ländern einzusetzen und Qualitätsaussagen zu erhalten, die die tatsächlichen Gegebenheiten widerspiegeln“ erläutert Dorß, „das Zertifikat ist so flexibel, dass es weltweit eingesetzt werden kann.“
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