Miele-Designerchef Andreas Enslin über die CAVE und ihre Folgen – „Fast wie bei Enterprise“

Gütersloh

Miele-Designerchef Andreas Enslin über die CAVE und ihre Folgen – „Fast wie bei Enterprise“
Miele setzt völlig neue Akzente in der Produktentwicklung. Künftig spielt sie sich zu einem erheblichen Teil in einer virtuellen Welt ab. Die dazu notwendige CAVE wurde jetzt offiziell in Betrieb genommen. CAVE ist die Abkürzung für „Computer Aided Virtual Environment“. Mit Hilfe einer hochentwickelten Projektionstechnik entsteht hier eine dreidimensionale virtuelle Realität. Über die Hintergründe und Konsequenzen sprachen wir mit Mieles Designerchef Andreas Enslin.
Herr Enslin, als Laie glaubt man, dass Produktentwicklung und Design etwas mit Handarbeit zu tun haben. Da denkt sich jemand etwas aus, skizziert es, baut daraus ein Modell, diskutiert darüber, nimmt Veränderungen vor, baut ein neues Modell und dann schauen wir mal wie es zu produzieren ist und was es kostet. Gehört dieser Entwicklungsprozess bei der virtuellen Herangehensweise der Vergangenheit an?

Ja, völlig, so geht das nicht mehr. Das, was wir heute mit den zur Verfügung stehenden Technologien schon machen können ist dicht dran am, Holodeck in der Science-Fiction-Serie „Star Trek“: Auf dem Holodeck erholt sich die Besatzung des Raumschiffs Enterprise von ihren Strapazen im All in vergnüglichen virtuellen Welten. Durch das Weglassen von Material eröffnen sich tolle, bislang nicht gekannte Möglichkeiten, die ich auch im Design nutzen will. Design hat immer schon die Grenzen des Vorstellbaren erweitert, jetzt ist dies im Entwicklungsprozess angekommen.
Warum macht so etwas heutzutage Sinn?

Wir haben es heute mit einer extremen Komplexität bei all unseren Entscheidungen zu tun. Das ist völlig anders als früher, als vieles noch nacheinander ablaufen konnte. Das gibt es in unserer beschleunigten Zeit nicht mehr, alles ist gleichzeitig möglich und auch gültig. Die CAVE schafft nun eine ganz andere Form der Kommunikation und Zusammenarbeit. Produktentwickler, Designer und Techniker können sich jetzt eben gleichzeitig mit einem Thema befassen. Egal, was ich mir als Designer oder Ingenieur ausdenke, ich kann es gleich ausprobieren und schauen, ob es praktikabel ist. So können auch nicht am Entwicklungs- und Konstruktionsprozess unmittelbar Beteiligte die Konsequenzen sehen: Zum Beispiel kann der Servicetechniker gleich sagen, ob er mit dem Schraubenschlüssel überhaupt an eine bestimmte Stelle dran kommt. Und wenn es irgendwo zu eng wird, macht man es eben sofort anders. Oder wir verändern einfach das Drumherum. Wie fügt sich beispielsweise eine neues Gerät oder eine neue Küche in einen japanischen Haushalt ein? Bislang mussten wir dafür Prototypen bauen und auch ein originalgetreues Umfeld schaffen, damit wir die entsprechenden Situationen als realistische Abbildungen bekamen. So ein Aufwand erübrigt sich nun weitgehend.
Gab es für diese Vorgehensweise Vorbilder?

Ja, zum Beispiel die Automobilindustrie. Dort entwickelt man schon seit einigen Jahren zunehmend in virtuellen Welten. Das hat die Tätigkeit dort völlig umgekrempelt. Automobildesigner und -konstrukteure visualisieren ihre neuen Modelle fast ausschließlich in 3-D am Computer. Das, was wir heute in Hochglanzmagazinen an Fotos und Filmen von neuen Fahrzeugen zu sehen bekommen, ist fast alles virtuell konzipiert und hergestellt worden. Von der Wirklichkeit kann man das später nicht mehr unterscheiden. In der Hausgeräte-Branche ist so etwas noch Neuland. Wir sind bis jetzt die einzigen, die so arbeiten.
Miele hat für diese Technik rund 1,6 Millionen Euro ausgegeben. Woraus besteht Sie im Einzelnen? Wie funktioniert die CAVE?

Das ist natürlich ein anspruchsvolles System. Deshalb nenne ich mal nur die Hauptbestandteile: Da ist zunächst einmal die deckenhohe Projektionswand aus schwarzem Glas. Sie ist dreigeteilt und in einem Winkel von 120 Grad aufgestellt. Wie beim Flachbildschirm zuhause ermöglicht dieses Glas hohe Kontraste und brillante Farben. Die mittlere Projektionsfläche ist 3,15 mal 2,25 Meter groß, die beiden seitlichen Projektionsflächen haben die Ausmaße 1,80 mal 2,25 Meter. Acht hochauflösende Kino-Projektoren werfen die Bilder von hinten auf die Flächen. Die Auflösung beträgt auf der gesamten Wand über 6,7 Millionen Pixel – ungefähr wie bei einer guten Digitalkamera – nur ist das Bild viel größer. Vier Head-Tracking-Kameras beobachten exakt die Bewegungen des Betrachters und übermitteln diese Information an ein Rechnercluster aus 9 Workstations, der dann alle Pixel jeweils neu berechnet und der Bewegung anpasst. Wenn man sich das vorstellt, wird schnell klar, warum das in solche Dimensionen geht. Wenn zum Beispiel der Betrachter seinen Kopf leicht bewegt, damit er das virtuelle Objekt unter einem etwas anderen Winkel betrachten kann, dann müssen die Rechner sofort das entsprechend variierte Bild mit allen 6,7 Millionen Pixeln neu berechnen. Und dabei geht es dann unter Umständen nicht nur um das Objekt selbst, sondern auch um die Umgebung, um Licht, Schatten oder Spiegelungen auf der Oberfläche und Ähnliches. Das ist schon ein Wunderwerk, das wir da jetzt besitzen.
Welches sind die wichtigsten Vorteile der CAVE für das Unternehmen?

Die Anzahl teurer, physischer Prototypen wird dadurch radikal reduziert. Das spart letztlich viel Geld. Außerdem wird der Entwicklungsprozess durch die neue Arbeitsweise erheblich beschleunigt. Der Zeitfaktor ist also auch ganz wichtig. Wir können die verschiedenen Vorschläge und Ideen sofort ausprobieren. Die Innovationsgeschwindigkeit wird sich dadurch beträchtlich erhöhen.
Inwiefern verändert die neue Technik das Miele-Design?

Die hinzugewonnene Schnelligkeit wird zur Konsequenz haben, dass wesentlich mehr experimentiert werden kann. Insofern vergrößert sich die Spannweite, in der wir operieren. Grundsätzlich bleibt es natürlich bei unserem Anspruch, dass das Miele-Design den Premium-Charakter unserer Produkte zum Ausdruck bringen muss. Unser guter Name wird durch unser Design maßgeblich mitbestimmt. Das war schon immer so und wird auch so bleiben.
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