Postbank: Rezession trifft Branchen unterschiedlich stark
Postbank: Rezession trifft Branchen unterschiedlich stark
Dass sich Deutschland in einer der schwersten Wirtschaftskrisen seit Jahrzehnten befindet, ist unbestritten. Doch sind alle Zweige der deutschen Wirtschaft von der globalen Rezession gleichermaßen betroffen oder können sich manche dem Abschwung entziehen? Die Analyse der Volkswirte der Postbank einzelner Industriebranchen mit Hilfe des sogenannten Beta-Faktors (siehe Infobox) liefert dazu aufschlussreiche Ergebnisse. Es zeigt sich, dass vor allem deutsche Schlüsselindustrien wie der Maschinenbau oder die Fahrzeugproduktion einen sehr hohen positiven Beta-Wert aufweisen, sie sind von einem Abschwung also überproportional stark betroffen.
Energieproduktion weitgehend konjunkturresistent
Doch es gibt durchaus auch Bereiche der deutschen Wirtschaft, die von konjunkturellen Entwicklungen weitestgehend unberührt bleiben, z.B. der Energiesektor. Der Energieausstoß schwankt über die Auf- und Abschwünge hinweg kaum. Dies ist damit zu erklären, dass Energie auch in schlechten konjunkturellen Zeiten gebraucht wird. Denn auch in Zeiten des Abschwungs müssen Wohnungen geheizt und Straßen beleuchtet werden. Größere Bewegungen werden im Energiebereich am ehesten noch durch klimatische Einflusse ausgelöst. Die Effekte einer zyklischen Veränderung der Industrieproduktion auf den gesamtwirtschaftlichen Energieverbrauch sind dagegen vergleichsweise gering. Auch die Produktion von Haushaltsgeräten sowie von Reinigungs- und Hygieneartikeln zeigt sich wenig anfällig. Dort gilt ebenfalls die Devise: gebraucht werden sie immer, Aufschwung hin oder her.
Bau legt im Abschwung zu
Neben den gegen die allgemeine Konjunkturentwicklung resistenten Branchen gibt es auch Wirtschaftszweige mit einem ausgeprägten antizyklischen Verhaltensmuster, etwa das Baugewerbe. So ist die Bauproduktion regelmäßig gestiegen, wenn sich die gesamtwirtschaftliche Industrieproduktion verringert hat. Mögliche Gründe hierfür: Die Bauwirtschaft dürfte davon profitieren, dass die Zinsen in Zeiten konjunktureller Schwächephasen meist sehr niedrig sind. Dadurch lohnen sich größere Investitionen wie beispielsweise der Immobilienbau eher. Auch werden zahlreiche Bauvorhaben, die noch in konjunkturell guten Zeiten geplant wurden, erst im Abschwung realisiert und wirken sich somit auch erst dann auf die Bauproduktion aus. Für eine antizyklische Entwicklung des Bausektors spricht aber auch das Verhalten des Staates im Verlauf eines Konjunkturzyklus. In konjunkturellen Schwächephasen werden häufig Konjunkturprogramme aufgelegt, von denen meist in starkem Maße die Bauwirtschaft profitiert.
Dies gilt auch für das aktuelle Konjunkturpaket der Bundesregierung. 18 Milliarden Euro aus dem Gesamtvolumen von etwa 50 Milliarden Euro fließen in Infrastrukturmaßnahmen wie den Ausbau von Schulen und Universitäten und den Straßenbau. Dies dürfte in den kommenden Monaten zu starken Impulsen für die Bauwirtschaft führen und ihre ohnehin antizyklische Natur untermauern.
Dienstleistungssektor insgesamt weniger schwankungsanfällig
Im Vergleich zur Industrie weist der Dienstleistungssektor geringere zyklische Schwankungen auf, auch bedingt durch den niedrigen Exportanteil. Zum anderen decken die Leistungen sehr häufig einen Grundbedarf ab und werden somit auch in Zeiten eines Konjunkturabschwungs unverändert nachgefragt. Hinzu kommt, dass viele Dienstleistungen von der öffentlichen Hand erbracht werden, die naturgemäß weniger starken zyklischen Einflüssen unterliegt als gewinnorientierte private Unternehmen.
Dennoch gibt es auch innerhalb des Dienstleistungssektors starke Unterschiede. Einen sehr hohen Beta-Faktor weisen die unternehmensnahen Dienstleistungen, das Gastgewerbe sowie das Grundstücks- und Wohnungswesen auf. Die starke Schwankungsanfälligkeit dieser Branchen dürfte sich aus ihrer Nähe zum Industriesektor bzw. einer starken Abhängigkeit von der allgemeinen Einkommens- und Beschäftigungsentwicklung erklären. Eine leicht unterdurchschnittliche Konjunkturabhängigkeit weist auch der Einzelhandel auf. Hierbei dürfte eine Rolle spielen, dass der Private Konsum in Deutschland traditionell eher geringen Schwankungen unterliegt.
Info: Der Beta-Faktor
Ursprünglich stammt der Beta-Faktor aus der Finanzmarkttheorie. Er gibt an, wie stark eine Aktie im Verhältnis zu einer anderen Aktie oder einem Index schwankt. Zusätzlich misst er, wie sich die Rendite einer Aktie im Verhältnis zu einem Referenzwert verhält. Positive Werte weisen auf eine gleichgerichtete Renditeentwicklung hin, negative Werte auf eine gegenläufige. Übertragen auf diesen Fall wird der Beta-Faktor für die Messung einzelner Branchen im Verhältnis zur gesamten Industrieproduktion verwendet.
Pressekontakt:
Joachim Strunk
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