Neuer Führungskräfte-Monitor: Kaum Verbesserung der Situation von Frauen seit 2001

Neuer Führungskräfte-Monitor: Kaum Verbesserung der Situation von Frauen seit 2001

Freiwillige Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Privatwirtschaft bleibt hinter Erwartung zurück

Seit 2001 gibt es beim Anteil der Frauen in Führungspositionen kaum Fortschritte. In den Top-Positionen der deutschen Wirtschaft sind Männer nahezu unter sich. Die Monatsverdienste der Frauen liegen bei den vollzeitbeschäftigten Führungskräften rund ein Viertel unter dem der Männer. Auch die Sondervergütungen fallen für Frauen geringer aus. „Es gibt positive Ansätze, aber keine Trendwende“ sagte DIW-Expertin Elke Holst heute bei der Vorstellung des Führungskräftemonitors, den das DIW Berlin im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellt hat. Holst forderte einen verbindlichen Fahrplan für einen höheren Frauenanteil mit klar zugeordneten Verantwortlichkeiten und Sanktionsmechanismen. Die Studie basiert auf dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) und Sondererhebungen.

Eine Ursache für die schlechten Karrierechancen von Frauen ist die Trennung des Arbeitsmarktes in „Frauen“- und „Männerberufe“, die sich bis in die Führungspositionen auswirkt. Bildung und Berufserfahrung sowie die Persönlichkeitseigenschaften spielen hingegen kaum eine Rolle für die unterschiedlichen Karrierechancen von Männern und Frauen. Ein besonders hohes Karriererisiko für die Frauen stellt die Familienbildung dar – mit langfristigen Folgen, denn ein verpasster Karriereeinstieg kann später nur schwer korrigiert werden. „Politik und Unternehmen müssen Anreize setzen, damit Frauen nicht nur in typischen Frauenberufen und Männer nicht nur in Männerberufen landen „, sagte Elke Holst. Schließlich sei diese Trennung auch mitverantwortlich für die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen.

Das Versprechen der Privatwirtschaft zur Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen und Männern aus dem Jahr 2001 wartet bei den Führungspositionen damit noch auf seine Einlösung.

Den Führungskräftemonitor können Sie von der Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als PDF-Dokument herunterladen.

Stichwort SOEP:
Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist eine seit 25 Jahren laufende Langzeitbefragung von mehr als 10.000 Haushalten in Deutschland. Das am DIW Berlin angesiedelte SOEP gibt Auskunft über Themen wie Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung oder Gesundheit. Weil jedes Jahr die gleichen Haushalte und Personen befragt werden, können langfristige soziale und gesellschaftliche Trends besonders gut verfolgt werden.

FAKTEN UND HINTERGRUNDINFORMATIONEN

2001: Bundesregierung will mehr Frauen in Führungspositionen

Im Jahr 2001 wurde die „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“ geschlossen. Neben der verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, besseren Ausbildungschancen für Frauen und Mädchen und der Verringerung der Lohnlücke ist auch die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen ein ausdrückliches Ziel dieser Vereinbarung.

Unter Führungskräften werden hier Angestellte in der Privatwirtschaft verstanden, die umfassende Führungsaufgaben wahrnehmen (Direktor/-innen, Geschäftsführer/-innen, Vorstände) oder sonstige Leitungsfunktionen oder hochqualifizierte Tätigkeiten ausüben – etwa als Abteilungsleiter/-innen, wissenschaftliche Angestellte oder Ingenieur/-innen. Wenn im Folgenden also von „Führungskräften“ gesprochen wird, umfasst dieser Begriff auch hochqualifizierte Fachkräfte.

Positive Tendenzen, aber keine Trendwende

Von den im Jahr 2006 etwa 5,9 Millionen Führungskräften in Deutschland (einschließlich Angestellter im öffentlichen Dienst und höherer Beamter/-innen) sind knapp 4 Millionen in der Privatwirtschaft tätig. Davon sind 31 Prozent Frauen. Gegenüber 2001 bedeutet dies einen Anstieg um 5 Prozentpunkte. Allerdings ist diese Entwicklung nicht statistisch signifikant. Das heißt, der Anstieg kann nicht als Trendwende gewertet werden, 2007 geht der Frauenanteil sogar wieder zurück. .

Je höher die Funktion in einem Unternehmen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese von einer Frau ausgeübt wird. Da sich in der SOEP-Stichprobe kaum Frauen mit umfassenden Führungsaufgaben in der Privatwirtschaft befinden, konnte die Repräsentanz von Frauen in Spitzenpositionen der Wirtschaft nur im Rahmen einer Sondererhebung aller Vorstands- und Aufsichtsratmitglieder bei den umsatzstärksten 200 Unternehmen außerhalb des Finanzsektors, den 100 größten Banken sowie bei den 65 nach den Beitragseinnahmen größten Versicherungen ermittelt werden.

Hier zeigt sich, dass in den Schaltzentralen der deutschen Wirtschaft nahezu ausschließlich Männer sitzen. Frauen stellen kaum zwei Prozent der Vorstände. Dies gilt auch für den Finanzsektor, in dem mehr als die Hälfte aller Beschäftigten Frauen sind. In den Aufsichtsräten liegt der Frauenanteil zwar etwas höher. Allerdings sind dies zu rund zwei Dritteln im Rahmen der Mitbestimmung von den Gewerkschaften entsandte Vertreterinnen.

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland nur im Mittelfeld

Im Vergleich der größten börsennotierten Unternehmen in 32 ausgewählten europäischen Ländern nimmt Deutschland mit 11 Prozent Frauen in den höchsten Entscheidungsgremien einen Platz im Mittelfeld ein, liegt aber unter dem Durchschnitt der EU-27.

Familienbildungsphase ist mit hohen Karriererisiken für Frauen verbunden

Erstmals wurden in Längsschnittanalysen auf Basis des SOEP Muster in den Führungskarrieren von Frauen und Männern untersucht. Es zeigte sich, dass Männer und Frauen sehr unterschiedliche Führungsverläufe haben: Frauen besetzen Führungspositionen im Durchschnitt kürzer und wechseln häufiger in und aus einer Führungsposition als Männer. Ab einem Alter, in der gewöhnlich die Familienbildung erfolgt (also im Alter zwischen 25 und 35), haben Frauen deutlich höhere Risiken aus der Führungsposition auszuscheiden als Männer. Männer der gleichen Altersgruppe haben hingegen – bei geringerer weiblicher Konkurrenz – bessere Chancen, eine Führungsposition einzunehmen. Hier kommt der Einfluss der traditionellen Arbeitsteilung im Haushalt zum Tragen, die zeitliche Einschränkungen und damit berufliche Nachteile vor allem für Frauen mit sich bringt.

Die Ehe ist für Männer ein wichtiger positiver Faktor für den Einstieg in eine Führungsposition. Offenbar können erfolgreiche Männer von der traditionellen Aufgabenteilung im Haushalt profitieren. Für Frauen erweist sich dagegen eine hohe berufliche Stellung des Partners als Nachteil beim Einstieg in eine Führungsposition. Das Risiko, aus einer Führungsposition auszuscheiden, ist aber für diese Frauen deutlich geringer als für jene, die nicht mit einem Partner in einer Führungsposition zusammenleben. Partnerschaften, in denen beide Partner eine Karriere verfolgen, funktionieren offenbar recht gut.

Selbst Frauen in Führungspositionen verdienen weniger als Männer

Frauen sind nicht nur weniger häufig unter den Führungskräften vertreten, auch ihr Verdienst ist geringer als der der Männer. Der Verdienstunterschied lag 2006 in der Privatwirtschaft unter den Vollzeiterwerbstätigen bei 23 Prozent (Abnahme gegenüber 2001 statistisch nicht signifikant).

Die Höhe des Verdienstes hängt bekanntlich vor allem von Ausbildung und Berufserfahrung ab. In Führungspositionen stehen Frauen den Männern hier nicht nach. Die Analyse verdeutlicht, dass der „gender pay gap“ – also die Verdienstlücke zwischen Männern und Frauen – vor allem daraus resultiert, dass Frauen und Männer jeweils in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen und Berufsfeldern dominieren und unterschiedliche hierarchische Ebenen einnehmen (geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes). Auch Frauen in Führungspositionen sind häufiger als Männer in Berufen tätig, die stark von ihrem Geschlecht dominiert sind. Von Frauen dominierte Berufe werden im Durchschnitt schlechter bezahlt als Berufe, in denen vorwiegend Männer tätig sind. Arbeiten Männer in geschlechts-atypischen Berufen, erzielen sie dennoch einen höheren Verdienst als Frauen in diesen Berufen. Hinzu kommt, dass Frauen überdurchschnittlich häufig in kleineren Betrieben beschäftigt sind und Männer hingegen häufiger in den mit besseren Verdienstschancen verbundenen Großbetrieben arbeiten. Zudem erreichen Frauen weniger häufig als Männer Top-Positionen mit Spitzenverdiensten. Schließlich schneiden Frauen auch bei den zusätzlich zum Verdienst erhaltenen monetären (Gewinnbeteiligungen, Prämien) und nicht monetären Sondervergütungen (Dienstwagen, Diensthandy) der Führungskräfte schlechter ab.

Unter den Vollzeiterwerbstätigen erreichen verheiratete Frauen im Durchschnitt einen höheren Verdienst als nicht verheiratete. Das mag zunächst überraschen. Das Ergebnis zeigt aber, dass es sich bei diesen Frauen offenbar um hoch motivierte, stark leistungsorientierte Beschäftigte handelt, die weitgehend eine Regelung für die Haus- und Familienarbeit gefunden haben.

Frauen und Männer in Führungspositionen sind gleich gut ausgebildet

Eine gute Ausbildung ist in Führungspositionen von herausragender Bedeutung. Diesbezüglich sind zwischen Frauen und Männern kaum noch Unterschiede feststellbar: Etwa jeweils 60 Prozent verfügen über einen Hochschulabschluss. Die Unterschiede in der Berufserfahrung sind gering und weitgehend altersbedingt: Die Frauen haben zwar durchschnittlich vier Jahre weniger Berufserfahrung, sind aber auch mit durchschnittlich 40 Jahren vier Jahre jünger als Männer in Führungspositionen.

Männer länger im selben Betrieb

Da in Deutschland Führungskräfte häufig aus dem Bestand der Beschäftigten rekrutiert werden, ist die Betriebszugehörigkeitsdauer von großer Bedeutung. Insgesamt sind unter den Führungskräften Frauen im Durchschnitt etwa zwei Jahre weniger als Männer im selben Betrieb tätig; sie weisen besonders häufig eine Betriebszugehörigkeit von zwei bis vier Jahren auf. Männer arbeiten hingegen wesentlich häufiger als Frauen 15 und mehr Jahre im selben Betrieb. Frauen wechseln offenbar häufiger als Männer ihre Stelle und scheinen erst durch einen Stellenwechsel überhaupt in eine Führungsposition aufzusteigen.

Ausbildung wichtiger als Persönlichkeitseigenschaften

Führungskräfte unterscheiden sich in ihren Persönlichkeitsmerkmalen deutlich von den übrigen Angestellten. Frauen in Führungspositionen unterscheiden sich dabei deutlicher von ihren Geschlechtsgenossinnen, die keine Führungskräfte sind, als dies bei Männern der Fall ist.

Allerdings zeigen weitergehende Analysen, dass die untersuchten Persönlichkeitsmerkmale im Vergleich zu den objektiven Indikatoren, wie zum Beispiel Ausbildungsdauer oder Anzahl geleisteter Überstunden, eher von geringerer Bedeutung sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Persönlichkeitsmerkmale gar keine Rolle für die Karrierechancen spielen. Schließlich spiegeln sich in einigen der objektiven Indikatoren – wie etwa die Höhe des Bildungsabschlusses – letztlich auch Persönlichkeitsmerkmale wider.

Führungspositionen sind mit sehr langen Wochenarbeitszeiten verbunden

Gegenwärtig müssen sich Frauen in Führungspositionen den Anforderungen männlich geprägter Lebenswelten meist stark anpassen, um Karriere zu machen. Diese setzen lange Arbeitszeiten voraus, die sich mit Haus- und Familienarbeit kaum in Einklang bringen lassen. Vollzeiterwerbstätige Frauen in Führungspositionen sind mit durchschnittlich 45 Wochenstunden nur etwa zwei Stunden kürzer erwerbstätig als ihre männlichen Kollegen. Die große Bedeutung längerer Arbeitszeiten für die Karrierechancen von Frauen wird auch im internationalen Vergleich sichtbar, der einen Zusammenhang zwischen dem Anteil von Frauen in Führungspositionen und dem Frauenanteil an der Gesamtarbeitszeit in einem Land erkennen lässt. Teilzeitarbeit stellt in Führungsetagen eine Ausnahme dar und erweist sich als Hemmschuh für die berufliche Karriere.

An Werktagen bleibt kaum Zeit für Familie und Hausarbeit

Die alltägliche Zeitnot von Führungskräften wird besonders deutlich an der Tatsache, dass werktags drei von zehn Männern und knapp ein Fünftel der Frauen keinerlei Zeit mit ihren Kindern verbringen. Haus- und Familienarbeiten werden werktags nur in vergleichsweise geringem Umfang ausgeübt; der Schwerpunkt dieser Tätigkeiten liegt auf dem Wochenende. Unterschiede in der Zeitverwendung zwischen Frauen und Männern treten besonders deutlich bei Verheirateten und Personen mit Kindern zutage. Insgesamt leisten Frauen auch unter den Führungskräften deutlich mehr Familien- und Hausarbeit als Männer. Männer dominieren bei Reparatur- und Gartenarbeiten, die jedoch nur in geringerem Umfang durchgeführt werden.

Familienbildung gar nicht oder spät – typisch westdeutsch?

Die mit Hausarbeit und Familie verbundene höhere zeitliche Belastung ist sicherlich mitentscheidend für die Tatsache, dass Frauen in Führungspositionen vergleichsweise seltener verheiratet sind und häufiger ohne Kinder im Haushalt leben als Männer in Führungspositionen. Ein solches Muster ist vor allem in Westdeutschland zu beobachten. Während hier fast 70 Prozent der Frauen in Führungspositionen des Jahres 2006 ohne Kinder (bis 16 Jahre) im Haushalt lebten, traf dies noch nicht einmal für ein Fünftel der Frauen in Ostdeutschland zu.
In Westdeutschland wurden Frauen in Führungspositionen später Mütter als in Ostdeutschland. Knapp die Hälfte hatte mit 30 Jahren oder später ihr erstes Kind zur Welt gebracht – also nachdem die beruflichen Weichen gewöhnlich gestellt sind. In Ostdeutschland bekamen fast alle Frauen in Führungspositionen des Jahres 2006 ihr erstes Kind vor dem 30. Lebensjahr, und zwar im Durchschnitt mit 24 Jahren – also nur ein Jahr später als im Durchschnitt der anderen angestellten Frauen in Ostdeutschland. In Westdeutschland liegen die Vergleichswerte bei 28 und 26 Jahren. Offenbar wirken in Ostdeutschland auch heute noch die für die DDR-typischen Familienbildungsmuster nach.

Drei Punkte zur Verbesserung der Chancengleichheit von Führungskräften in der Privatwirtschaft 2001

Mehr Chancengleichheit von Frauen und Männern auch in Führungsetagen – das ist nach wie vor das zwischen Politik und Wirtschaft fest vereinbarte politische Ziel. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt DIW-Expertin Elke Holst vor allem auf drei Schritte:

– Einen verbindlichen Fahrplan mit festen Zielgrößen, klar zugeordneten Verantwortlichkeiten und Sanktionsmechanismen.

– Mehr Transparenz bei der Entlohnung und der Besetzung von Führungsposten. Verstärkte Anreize zur Verminderung der Segregation am Arbeitmarkt zum Beispiel durch früh ansetzende Karriereprogramme.

– Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch in Führungspositionen. Die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten von Frauen und Männern sollten auch in Führungspositionen bei der betrieblichen Organisation berücksichtigt werden; zum Beispiel könnten Betriebe gezielt fördern, dass Besprechungen nicht ausufern und in der Kernarbeitszeit stattfinden.

Renate Bogdanovic
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