Helaba Finanzplatz-Studie 2009: Jede Krise birgt Chancen ? Finanzplatz Frankfurt im Vergleich

Frankfurt am Main

Helaba Finanzplatz-Studie 2009: Jede Krise birgt Chancen ? Finanzplatz Frankfurt im Vergleich

Frankfurt am Main ? Die Helaba Landesbank Hessen-Thüringen hat heute ihre dritte große Finanzplatzstudie vorgestellt. Nach den Publikationen der Jahre 2006 und 2008 beleuchtet die diesjährige Studie die Auswirkungen der globalen Finanzmarktkrise auf den deutschen Bankenstandort: Der Finanzplatz Frankfurt wird durch die Krise weniger belastet als London und hat somit die Chance, sich noch besser in der Finanzwelt zu positionieren.

?Die Finanzmarktkrise hat einen tiefgreifenden Veränderungsprozess in der weltweiten Bankenlandschaft angestoßen. Ausgehend vom US-Hypothekenmarkt als ursprünglichem Epizentrum hat sich die Krise in der globalisierten Finanz- und Realwirtschaft ausgebreitet. Der sich nun vollziehende Anpassungsprozess wird vermutlich mehrere Jahre andauern. Das Vertrauen auf den Finanzmärkten muss nachhaltig wiederhergestellt werden?, erläuterte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin und Leitung Research der Helaba, anlässlich der Präsentation der Studie in Frankfurt. ?Die Bankenwelt befindet sich im Wandel: Geschäftsmodelle und vormals boomende Marktsegmente ? strukturierte Wertpapiere bzw. Verbriefungen ? stehen auf dem Prüfstand. Es findet sowohl im Wholesale- als auch im Retail-Geschäft eine Rückbesinnung auf Kernkompetenzen statt.?

Zunehmende Konzentration auf Frankfurt

Die Chancen auf eine mittelfristige Besserung der Lage am Bankenplatz Deutschland bewertet die Studie als vergleichsweise gut, obschon der von der globalen Krise angestoßene Anpassungsprozess auch hier seine Spuren hinterlassen wird. ?Schließlich vollzieht sich an den Finanzplätzen weltweit eine Rückführung der Überkapazitäten und eine verstärkte Refokussierung auf den Heimatmarkt?, so Traud. Allerdings dürfte der seit Jahren zu beobachtende Trend, dass sich die deutsche Bankbeschäftigung verstärkt in der Main-Metropole konzentriert, durch die Krise noch stärker akzentuiert werden. So wächst Frankfurt in seiner Rolle als zentraler deutscher Finanzplatz, was sich letztlich positiv auf seine internationale Wettbewerbsfähigkeit auswirken kann.

EZB als langfristiger Standortvorteil

Im Rahmen der Krise an den Weltfinanzmärkten kommen langfristige Assets des deutschen Finanzzentrums zum Tragen, wie z.B. die weitreichende Bedeutung des Euro verbunden mit dem einzigartigen Standortvorteil der EZB am Main. Traud: ?Der Euro hat sich innerhalb von nur zehn Jahren als internationale Währung mit breiter Akzeptanz etabliert und dabei in mancher Hinsicht den Abstand zum Dollar verringern können. Inmitten der Marktturbulenzen hat sich der Euro als Hort der Stabilität behauptet.? Weitaus schlechter schnitt das unter Abwertungsdruck geratene Pfund ab; ohnehin spielt die britische Währung keine so zentrale Rolle im weltweiten Finanzgeschehen. Der sich mittelfristig fortsetzende Wachstumsprozess des Eurowährungsgebiets kommt der Euro-Hauptstadt Frankfurt im internationalen Wettbewerb zugute.

Trend „safe haven“ positiv für deutsches Finanzzentrum

Der Main-Metropole gereiche es auch zum Vorteil, dass Deutschland als bedeutende Volkswirtschaft in der Gunst der Marktteilnehmer vermehrt an Ansehen gewinne, sagte die Chefvolkswirtin der Helaba. Rentenmärkte dienen im aktuell unsicheren Umfeld als sicherer Hafen ? jedoch nicht alle. So hat sich der Spread innerhalb der Eurozone deutlich ausgeweitet und deutsche Staatsanleihen gehören zu den Favoriten der Anleger; der Markt für Bundesanleihen inklusive der entsprechenden Absicherungsinstrumente befindet sich im Wesentlichen in Frankfurt. Demgegenüber hat der deutsche Aktienmarkt bis zum Frühjahr ähnliche Kursverluste hinnehmen müssen wie die europäische Konkurrenz.

Finanzplatz Frankfurt weniger von Krise betroffen als London

Die Veränderungen in der deutschen Bankenlandschaft werden vermutlich geringer ausfallen als beispielsweise in Großbritannien, zumal das klassische Kreditgeschäft am hiesigen Finanzplatz traditionell eine größere und Verbriefungen eine kleinere Rolle spielen als in London. Dazu Traud: ?Insgesamt ist der deutsche Bankensektor weniger von der Krise betroffen als der britische. Die Notwendigkeit zu Abschreibungen im Wertpapier- und Kreditportfolio der Banken ist geringer und die Kreditversorgung der heimischen Wirtschaft bislang besser als in Großbritannien oder auch im restlichen Euroraum. Ähnlich haben sich auch die französischen Institute in den zurückliegenden turbulenten Monaten besser geschlagen als die britischen, so dass Frankfurt auch die Finanzplatzkonkurrenz in Paris im Auge behalten sollte.?

Im Übrigen hat sich das für Deutschland typische Universalbankensystem verglichen mit dem angelsächsischen Investmentbankenmodell als stressresistenter gezeigt. So sind die Kosten der Bankenrettung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt am britischen Bankenstandort besonders umfangreich. Zudem könnte es sich für London unter Wettbewerbsgesichtspunkten als belastend erweisen, wenn das bisherige globale Deregulierungsbestreben in einen anhaltenden Trend zur verstärkten Kontrolle der Finanzmärkte umschlägt; generell sind für den langfristigen Erfolg eines Finanzstandortes Regulierungen mit Augenmaß wichtig. Dass der britische Finanzsektor besonders unter der Krise leidet, dürfte dem Image Londons als führender europäischer Finanzplatz nicht gerade zugute kommen.

Deutsche Volkswirtschaft ? mit Geschäftspotenzialen, ohne eigene Strukturprobleme

Die Einbettung des Finanzplatzes in die deutsche Volkswirtschaft verheißt mittelfristig umfangreiches Geschäftspotenzial für in- und ausländische Finanzplatz-Akteure: Mit der allgemeinen Rückbesinnung auf den realwirtschaftlichen Bezug von Finanzmarktgeschäften gewinnt nun auch die absolute volkswirtschaftliche Größe eines Landes wieder an vermehrter Bedeutung. Deutschland weist anders als die angelsächsischen Finanzsysteme keine eigenen gravierenden Strukturprobleme wie z.B. eine Immobilienkrise auf. Als größte Volkswirtschaft Europas bzw. viertgrößte der Welt rangiert Deutschland nicht nur vor Großbritannien und Frankreich, die Konjunkturerholung dürfte sich hierzulande auch früher bzw. deutlicher vollziehen.

Erholung im kommenden Jahr zu erwarten

?Unterstützt von den umfangreichen fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen ist eine Stabilisierung der deutschen Wirtschaftsentwicklung absehbar?, prognostiziert Traud. ?Allerdings wird der stimulierende Effekt der staatlichen Konjunkturprogramme im kommenden Jahr stärker ausfallen als im laufenden, so dass dann mit einer Konjunkturerholung in Deutschland zu rechnen ist. Dies kommt dem Finanzplatz Frankfurt ebenso zugute wie das umfangreiche Unterstützungsangebot seitens der Bundesregierung für die hiesigen Institute, obgleich die bankspezifischen Rettungsmaßnahmen bislang erst begrenzt in Anspruch genommen wurden und noch keine nationale Lösung für die ausfallgefährdeten Bankaktiva beschlossen wurde.? Insgesamt stehen die Chancen recht gut, dass der Finanzplatz Frankfurt zusammen mit der deutschen Konjunktur 2010 wieder auf einen Erholungspfad einschwenken kann. Schließlich trägt das Prosperieren einer Volkswirtschaft maßgeblich zur Stärke ihres Finanzzentrums bei.

Chancen auf bessere Positionierung in Finanzwelt

Insgesamt eröffnet sich dem deutschen Finanzzentrum laut der Studie die Möglichkeit, sich noch besser im internationalen Finanzgeschehen zu positionieren. Frankfurt kann selbstbewusst darauf hinweisen, dass es eine Fülle von Stärken aufweist; mit Frankfurt Main Finance hat der hiesige Standort nun ein schlagkräftiges Marketing-Organ. Wenn der Anpassungsprozess in der Bankenwelt erst einmal vollzogen ist, hat der Finanzplatz Frankfurt mit seinen zahlreichen Standortvorteilen, die sich auch in Krisenzeiten als beständig erwiesen haben, womöglich Boden im europäischen Finanzplatz-Wettbewerb gut machen können.

Die Studie finden Sie unter http://volkswirtschaft.helaba.de
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