Gewissens-Wellness

Bonn

Gewissens-Wellness

Konflikt zwischen Konsumproleten und Gutmenschen?

(aid) – Gutes Gewissen scheint käuflich, zum Beispiel bei Kleidung. So verspricht ein Hersteller von Polo-Shirts: „Damit sich Ihr Gewissen so wohl fühlt wie Ihre Haut“. Gewissens-Wellness nennt das Professor Wolfgang Ullrich, Medientheoretiker der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.

Beim Essen und Trinken sieht er dabei Bio- und Fairtrade-Produkte im Fokus. Sie sind üblicherweise teurer als konventionelle Güter und somit scheint hier gutes Gewissen besonders käuflich, so Ullrich auf der Tagung des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen über nachhaltigen Konsum in Mainz. Mehr zu zahlen als man zahlen müsste, beweise besondere eigene Opferbereitschaft für Ökologie und Nachhaltigkeit. Und das, obwohl meistens doch der eigene Egoismus vor der Sorge um die Umwelt stünde. Problematisch: Ärmere seien so von vornherein ausgeschlossen. Also keine Chance auf ein bisschen Erleichterung für ein reines Gewissen. „Man kann von einem modernen Ablasshandel sprechen“, meinte Ullrich. Wie im Mittelalter versuche man, sich vom „Fegefeuer freizukaufen“. Vielflieger melden sich daher heute auf Websites an, um dort den CO2-Ausstoß, den sie zu verantworten haben, mit Geld zu kompensieren. Schön, dass man so noch irgendwo auf der Welt ein CO2-minderndes Projekt, etwa Solarküchen in Indien oder Biogas-Nutzung in Thailand finanzieren kann. Ähnliches gibt es auch für Autofahrer.

Ullrich warnte, man müsse tatsächlich um den gesellschaftlichen Frieden bangen. Immer mehr drohe ein sozialer Antagonismus zwischen selbstbewussten Konsumbürgern mit ihrem guten Gewissen als oberstem Statussymbol und disqualifizierten Konsumversagern. Er halte es für unwahrscheinlich, dass sich bewusster Konsum nach und nach gesamtgesellschaftlich durchsetzen kann. Werden „Konsumproleten“ also gerade die Marken und Produkte cool finden, die andere Menschen wegen ihrer ökologischen oder sozialen Defizite am lautesten und häufigsten anklagen?

„Unternehmen, die es wirklich ernst meinen mit der Moral, müssen aufhören mit dem guten Gewissen zu werben. Statt zu versuchen, verantwortungsbewusstes Handeln als Seelenheil-Wellness und Lifestyle für die Innenwelt darzustellen, sollten sie lieber darauf achten, dass nicht schon für egoistisch motiviertes Handeln gutes Gewissen versprochen wird“, so der Medienwissenschaftler. Erst dann bestehe die Chance, die eigentlichen Ziele in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken.
aid, Britta Klein

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