Leichte Kost für schweres Geld
Leichte Kost für schweres Geld
Boom und Verfall am Lebensmittelmarkt
Das Jahr 2008 sah die seit Jahrzehnten heftigsten Schwankungen bei den Lebensmittelpreisen. Im Juni erreichten sie Rekordhöhe, anschließend folgte ein rasanter Preisverfall. Bryan Agbabian managt für die Allianz RCM einen Agrarfonds und beschreibt die Trends, die den Markt prägen.
Was zeichnet einen Agrarfonds aus?
Agbabian: Wir betrachten die Landwirtschaft aus zwei Blickwinkeln und richten daran unsere Anlageentscheidungen aus. Da ist einerseits die Angebotsseite, also die Erschließung von Anbauflächen, die Versorgung mit Wasser, die Herstellung von Saatgut, Feldfrüchten, Spritzmitteln und Dünger sowie landwirtschaftlichen Geräten.
Da ist andererseits auf der Nachfrageseite die Verarbeitung und Distribution von Lebensmitteln. Dieser Bereich umfasst die Weiterverarbeitung der Ernten in der Nahrungsmittelindustrie, aber auch zu Biotreibstoff und Tabakprodukten sowie den Handel bis zum Endverbraucher.
Beide Seiten unterscheiden sich grundlegend. Je höher etwa der Preis für Getreide, desto mehr verdienen die Bauern, desto eher können sie wiederum in höhere Erträge investieren. Und diese Investitionen kommen dem Gesamtangebot zugute. Gleichzeitig bedeuten höhere Getreidepreise Nachteile für die Nachfrageseite, also für die Nahrungsmittelindustrie, denn sie drücken auf die Gewinnmarge.
Warum lagen die Lebensmittelpreise im Frühsommer auf Rekordniveau?
Agbabian: Im zurückliegenden Jahrzehnt steigerten die ehemalige Sowjetunion, China und Indien ihr Wirtschaftswachstum; das hat zu einer wachsenden Nachfrage bei Mais, Weizen und Sojabohnen geführt. Der Fleischkonsum stieg im gleichen Zeitraum in den Entwicklungsländern zehn Mal stärker an als in der entwickelten Welt.
Der Trend ist älter, erst 2002/2003 hat er sich in steigenden Nahrungsmittelpreisen niedergeschlagen. Gleichzeitig sanken die Lebensmittelvorräte in einem Maß, dass die Lager dringend aufgefüllt werden müssten, um Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Seither sind die Preise gestiegen, aber die letzten drei Monate haben diese Entwicklung wieder aufgehoben.
Welchen Einfluss hat die Finanzkrise auf den Lebensmittelmarkt?
Agbabian: Der Wind hat sich seit Juni um 180 Grad gedreht. Im Juni waren die wichtigsten Anbaugebiete in den USA von Überschwemmungen betroffen, und alle dachten, eine Steigerung der Erträge wäre dringend erforderlich. Gleichzeitig lag der Maispreis bei 7,50 US-Dollar je Bushel und den Farmern ging es gut. Damit ging es auch den Düngemittelherstellern und Saatgutproduzenten gut.
Die Unternehmen, die das Getreide zu Lebensmitteln verarbeiteten, waren im Nachteil, denn ihre Produktionskosten stiegen. Solange sie die höheren Einkaufskosten nicht an ihre Kunden weitergeben konnten, sanken ihre Gewinnmargen.
Derzeit liegt der Maispreis allerdings bei 3,80 US-Dollar pro Bushel, er hat sich also seit Juni halbiert. Trotzdem bewegen sich die Getreidevorräte immer noch auf einem historischen Tiefstand. Die Frage ist warum.
Der Getreidepreis ist ein Dollarpreis, wie beim Öl auch, und da der Dollar gegenüber dem Euro und anderen Währungen an Stärke gewinnt, sinkt der Getreidepreis. Die Preisspitze im Juni ging auch auf die Angst zurück, dass Getreide durch die Überschwemmungen knapp wird. Doch von Juli bis September war das Wetter für den Getreideanbau sehr günstig, es gab viel mehr Mais, Weizen und Soja als erwartet. Deswegen wurden die Preise nach unten korrigiert. Viele haben aber das Ausmaß der Korrektur unterschätzt. Die Bauern kommen jetzt gerade einmal Null zu Null heraus, vorher hatten sie Geld für Investitionen übrig.
Das ist schlecht für die Farmer, könnte aber den Millionen armer Menschen in der Welt helfen, die unter den Rekordpreisen des Frühsommers sehr gelitten haben. Ist das so?
Agbabian: Kurzfristig können sich die niedrigen Getreidepreise auf die Lebensmittelpreise auswirken, aber langfristig werden sie meiner Meinung nach steigen, denn das Ungleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot bleibt. Die Erleichterung wird nicht lange anhalten. Langfristig müssen die Vorräte aufgestockt und die Lager aufgefüllt werden. Aber die Bauern investieren derzeit nicht, weil die Preise viel zu niedrig sind, und das wird zu einem erneuten Preisanstieg führen.
Und der Fleischkonsum steigt weiter, wenn auch langsamer. Mit dem wachsenden Wohlstand in den Entwicklungsländern essen die Menschen dort mehr Fleisch, aber um ein Kilogramm Rindfleisch zu produzieren, muss eine Kuh sechs bis sieben Kilo Mais fressen.
Kontakt für Presse
Farhad Dilmaghani
Allianz Group
+49.89.3800-17484
346976