Naturforscher und Ärzte zum Thema Wachstum

Frankfurt am Main

Naturforscher und Ärzte zum Thema Wachstum

In Tübingen verleihen Chemiker Auszeichnungen

‚Wachstum‘ ist der kurze Titel der 125. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) vom 19. bis 22. September 2008 in Tübingen. Kurz ist diesmal auch die traditionell bei diesen Versammlungen stattfindende Festsitzung der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh). Doch liegt das nicht daran, dass die Chemie nichts zum Thema ‚Wachstum‘ beisteuern könnte. Wie die Präsidentin der GDNÄ und Vorsitzende der diesjährigen Versammlung, Professor Dr. Christiane Nüsslein-Volhard, in einem Interview mit den Nachrichten aus der Chemie erläuterte, wurden erstmals alle Sitzungen als disziplinenübergreifende Symposien gestaltet. So sind die Vorträge, die im Anschluss an die Verleihung von GDCh-Preisen unter der Überschrift ‚Nachwachsende Ressourcen und regenerative Strukturen‘ aus der Chemie, Medizin und Biologie stammen, nicht in die GDCh-Festsitzung integriert. Ausgezeichnet werden von GDCh-Präsident Professor Dr. Klaus Müllen in dieser Sitzung die Professoren Dr. Michael F. Lappert, University of Sussex, und Dr. Wolfgang Krätschmer, Max- Planck-Institut für Kernphysik und Universität Heidelberg, sowie die Nachwuchswissenschaftler Dr. Paul Wilhelm Elsinghorst, Bonn, und Dr. Carsten Vock, Saarbrücken.

Alfred-Stock-Gedächtnispreis

Er gilt als einer der großen europäischen Wissenschaftler: Michael F. Lappert, geboren 1928 im tschechischen Brünn. Als Kind musste er vor dem nationalsozialistischen Terror fliehen und gelangte nach England, das seine zweite Heimat wurde. An der Northern Polytechnic studierte er Chemie und promovierte dort 1951. Über die Universitäten von London und Manchester gelangte er 1964 nach Brighton an die Universität von Sussex. Dort berief man ihn 1969 zum Professor, und 1996, fast 68-jährig, wurde er zum Research Professor ernannt. Nach seinem 60. Lebensjahr hat er noch mehr als 270 Originalarbeiten veröffentlicht. Insgesamt hat er etwa 720 Arbeiten publiziert, und er zählt zu den 100 am meisten zitierten Chemikern. Beeindruckend ist die Breite seiner Arbeitsgebiete; denn für Lappert ist die Chemie nicht in kleine Spezialgebiete teilbar. Dennoch lässt sich ein Schwerpunkt ausmachen: Es ist die Organometallchemie. Lappert hat zahlreiche neue Verbindungsklassen synthetisiert und umfassend charakterisiert. Zunächst hatte er sich mit der Borchemie befasst, doch dann wandte er sich u.a. den Übergangskomplexen von elektronenreichen Carbenen, zweikernigen Lanthanoid-Verbindungen, metallorganischen Verbindungen der Elemente Zinn, Zirkonium und Thorium in den seltenen Oxidationsstufen +3, neuartigen metallzentrierten Radikalen des Germaniums sowie Arylen und Aryloxiden der Alkali- und Erdalkalielemente zu, um nur einige Forschungsbeispiele zu nennen. Auf dem Gebiet der Organometallchemie gilt Lappert bis heute als einer der führenden Chemiker. Aus diesem Grund und weil er auch im deutschen akademischen Leben eine große Rolle gespielt hat, wie die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität und seine häufige Gutachtertätigkeit für die DFG belegen, erhält er am 22. September in Tübingen den Alfred-Stock-Gedächtnispreis der GDCh.

Liebig-Denkmünze

Mit der Liebig-Denkmünze der GDCh wird in Tübingen der Astrophysiker Wolfgang Krätschmer ausgezeichnet – für seine Pionierarbeiten zur Entwicklung einer eigenständigen Fullerenchemie. Ab 1982 gingen er und Professor Dr. Donald R. Huffman von der University of Arizona der Frage nach, ob Graphit-Ruß ein Bestandteil des interstellaren Staubs sein könnte. Nachdem 1985 der Brite Professor Dr. Harold Kroto und die beiden amerikanischen Professoren Dr.Robert F. Curl und Richard E. Smalley massenspektrometrisch in Graphit den Kohlenstoff-Cluster C60 (und in geringen Mengen C70) nachgewiesen hatten, für den sie eine Fußballstruktur vorschlugen, konnten Krätschmer und Huffman C60-Kristalle aus ihrem Graphit-Ruß isolieren und hatten damit ein Verfahren gefunden, das es erlaubte, C60 in Gramm- und Kilogrammmengen herzustellen. Als Nebenprodukte fallen C70 und höhere Fullerene sowie die z. Zt. in der Materialwissenschaft so populären Kohlenstoff-Nanoröhrchen an. Krätschmers Arbeiten rückten die Fullerene nicht nur in den Wissenschaften, sondern auch in den Medien in den Blickpunkt. Eine eigenständige Fullerenchemie entstand, zu der Krätschmer herausragende Beiträge leistete wie die Synthese von di- und oligomeren Fullerenen oder von hochreaktiven Kohlenstoffketten mit 9 bis 21 Kohlenstoffatomen. Wegen seiner bahnbrechenden Arbeiten wurde Krätschmer 1993 zum Honorarprofessor für Organische Chemie an der Universität Heidelberg ernannt. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Leibniz-Preis der DFG. Der Nobelpreis allerdings wurde ihm nicht zuerkannt. Den erhielten Kroto, Curl und Smalley 1996 für die Entdeckung der Fullerene. Krätschmer wurde 1942 in Berlin geboren, wo er an der Technischen Universität auch sein Physik-Studium mit dem Diplom abschloss. Für seine Doktorarbeit ging er an das Max-Planck-Institut für Kernphysik nach Heidelberg und erlangte seinen Doktortitel an der dortigen Universität. Bevor sich Krätschmer mit Fullerenen beschäftigte, hatte er sich mit kosmischer Strahlung sowie mit der Untersuchung von Mondproben, Meteoriten- und interstellarem Staub befasst.

Klaus-Grohe-Preise

Zweimal wird in Tübingen der Klaus-Grohe-Preis für Medizinische Chemie verliehen. Der promovierte Pharmazeut und Apotheker Paul Wilhelm Elsinghorst, geboren 1981 in Lengerich, ist z.Zt. Postdoc am Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn, an der er auch zwischen 2001 und 2006 sein Pharmaziestudium absolvierte und an der er nun im Anschluss daran Lebensmittelchemie studiert. Elsinghorst wird für seine wichtigen Ergebnisse aus seiner Doktorarbeit, aus der zwei Publikationen im Journal of Medicinal Chemistry hervorgegangen sind, ausgezeichnet. In Tübingen stellt er seine Arbeit in einem Kurzvortrag mit dem Titel ‚Bifunktionale Cholinesterase-Inhibitoren: Anwendungen in Pharmakologie und Histologie des Morbus Alzheimer‘ vor.

Über ‚Rutheniumkomplexe als neue Hoffnung in der Krebstherapie‘ wird der zweite Grohe-Preisträger, Carsten Vock, sprechen; denn er wird in Tübingen für seine grundlegenden Forschungsarbeiten zur Entwicklung neuer cytotoxischer Organometallverbindungen für die Krebstherapie ausgezeichnet. Die Resultate seiner Untersuchungen, die er überwiegend an der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne durchgeführt hat, wurden in fünf wissenschaftlichen Publikationen festgehalten, zwei davon veröffentlicht im Journal of Medicinal Chemistry. Vock, geboren 1977 in Göttingen, studierte an der dortigen Universität Chemie. Nach seiner Promotion 2005 ging er als Postdoc für zwei Jahre nach Lausanne. Seit Dezember 2007 ist er Postdoc an der Universität des Saarlandes.

Weitere Themen in Tübingen

Vocks Arbeiten und Vortrag passen gut ins Programm der GDNÄ-Versammlung mit dem Motto ‚Wachstum‘ und dem Untertitel ‚Eskalation, Steuerung und Grenzen‘, das nach der GDCh-Festsitzung unter Vorsitz von GDCh-Vorstandsmitglied Professor Dr. Ferdi Schüth, Mülheim, zum Thema Nachwachsende Ressourcen und Regenerative Strukturen fortgesetzt wird. In dieser Sitzung stellt der Chemiker Professor Dr. Walter Leitner, Aachen, maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse vor. In den weiteren Vorträgen geht es um neue Wege der regenerativen Medizin in der Therapie und um die Regeneration von Gehirnzellen nach Verletzungen.


Kontakt:
Dr. Renate Hoer
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (GDCh)
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