CLAIMS CONFERENCE ZAHLT 1.900 € AN JÜDISCHE ÜBERLEBENDE AUS BUDAPEST

Frankfurt am Main

CONFERENCE ON JEWISH MATERIAL CLAIMS AGAINST GERMANY INC.
OFFICE FOR GERMANY

PRESSEMITTEILUNG

CLAIMS CONFERENCE ZAHLT 1.900 € AN JÜDISCHE ÜBERLEBENDE AUS BUDAPEST

6. Aug. 2008 – In Verhandlungen mit der Deutschen Regierung hat die Conference on Jewish Material Claims Against Germany (Claims Conference) Zahlungen an bestimmte jüdische NS-Opfer, die die Besetzung Budapests durch Nazi-Deutschland überlebt haben, erreicht. In Anerkennung der Inhaftierung und des Leidens der Überlebenden aus Budapest, können jüdische NS-Opfer aus dem besetzten Budapest, die heute in Osteuropa leben und keinerlei Zahlungen aus anderen großen Entschädigungsprogrammen (wie unten aufgeführt) erhalten haben, möglicherweise eine Leistung in Höhe von 1.900 € aus dem Budapest Fonds der Claims Conference bekommen.

„In keinem von der deutschen Wehrmacht besetzten Land war der Holocaust effektiver und industrieller organisiert als in Ungarn. Die jüdische Bevölkerung im besetzten Budapest war für die Deportation und Vernichtung bestimmt und war Opfer schrecklichster Verfolgungsmaßnahmen. Die Anerkennung dieses Leids ist eine bedeutende, längst überfällige Geste an die Überlebenden aus Budapest“, erklärte Georg Heuberger, der Repräsentant der Claims Conference in Deutschland.

Insgesamt werden rund 12,3 Millionen € an ungefähr 6.500 Überlebende in Ungarn ausgezahlt. Die Claims Conference hat diese Frage über Jahre hinweg der Deutschen Regierung im Rahmen ihrer jährlichen Verhandlungen mit Nachdruck vorgetragen.

Um das Verfahren zu rationalisieren und die Mittel schnellst möglich zu verteilen, hat die Claims Conference bereits 25.000 Akten gesichtet, um so berechtigte Überlebende zu identifizieren. Die Verzichtserklärungen, die die Deutsche Regierung verlangt, sind kurz und einfach und werden von der Claims Conference proaktiv an 5.590 Überlebende verschickt, von denen vermutet wird, dass sie für eine Zahlung berechtigt sind. Überlebende, die glauben berechtigt zu sein, aber keinen solchen Brief erhalten, sind aufgerufen, einen Antrag zu stellen.

Detaillierte Informationen sind erhältlich unter www.claimscon.org oder können beim Budapester Büro der Claims Conference unter der Telefonnummer 1-374 3078 oder per
E-mail unter Budapest@claimscon.org abgerufen werden. Die Antragsfrist endet am 6. August 2009.

Historische Fotos von jüdischen Opfern aus Budapest während der NS-Besetzung und aus dem Budapester Ghetto sind unter www.claimscon.org/budapestghetto eingestellt. Diese Fotos stehen den Printmedien zur Verfügung.

„Die Zahlungen bedeuten eine historische Anerkennung der schrecklichen Erfahrungen der jüdischen Bevölkerung in Budapest während der NS-Besetzung. Die jüdische Bevölkerung litt unter Hunger, Verfolgung, Krankheit und war das Ziel von tödlichen Übergriffen durch die Nazis und durch die ungarische Polizei und Banden. Auch wenn diese Zahlungen das Leid der Überlebenden und den Tod von Familienmitgliedern in keiner Weise entschädigen können, so ist der Betrag doch eine symbolische Anerkennung des Leidens im besetzten Budapest“, sagte Greg Schneider, Chief Operating Officer der Claims Conference.

„Diese Zahlungen stellen einen bedeutenden Durchbruch für die Überlebenden aus Budapest dar. Wir haben aufs Engste mit der Claims Conference kooperiert, um die Gelder, die eine wichtige Anerkennung des Leids der Überlebenden bedeuten, zu erhalten“, sagte Gyorgy Sessler, der Präsident des Verbandes der Holocaust-Überlebenden in Ungarn.

Peter Feldmajer, Präsident der Jüdischen Gemeinden in Ungarn erklärte: „Die Jüdische Gemeinschaft Ungarns und die Claims Conference haben für dieses bedeutende Ergebnis eng zusammengearbeitet; das Resultat führt zu einer spürbaren Unterstützung für Tausende von Überlebenden.“

Geschichte

Nur einen Tag nach der Besetzung Ungarns durch die deutschen Streitkräfte am 19. März 1944 kam Adolf Eichmann nach Ungarn, um die Deportation der ungarischen Juden nach Auschwitz durchzuführen. Schon nach wenigen Wochen ergingen Erlasse zur vollständigen Entrechtung der Juden, für deren Konzentrierung in Ghettos und für die Deportation. Einziges Ziel der Aktion war die Ermordung aller 725.000 in Ungarn lebenden Juden.

Der am 5. April 1944 erlassene Befehl, den gelben Stern zu tragen, bildete den Anfang der öffentlichen Marginalisierung der Juden. Am 3. Mai folgten die Befehle zur Registrierung aller Wohnungen und Häuser in Budapest, die Juden gehörten, um so die Konzentrierung der jüdischen Bevölkerung in bestimmten Gebäuden in der Stadt vorzubereiten. Diese Gebäude wurden „Sternhäuser“ (sárga csillagos házak) genannt. Am 16. Juni 1944 wurde der Befehl zur Konzentrierung der jüdischen Einwohner erlassen; er regelte unter anderem, dass die Häuser mit einem gelben Davidstern markiert werden sollten, um sie mühelos zu identifizieren.

Binnen einer Frist von acht Tagen konnte kein Budapester Jude mehr außerhalb eines „Sternhauses“ leben. Jeder jüdischen Familie wurde nur ein Raum zugewiesen. Rund 200.000 Juden zogen in 1.948 Häuser. Da die Häuser nur niedrigen Wohnstandard hatten und zudem permanent Gebäude für die Verwendung durch deutsche oder ungarische Behörden evakuiert wurden, verschlechterten sich die Lebensbedingungen kontinuierlich. Die meisten Juden hatten ihr Hab und Gut in ihren eigenen Wohnungen zurück lassen müssen, so dass sie kaum Möbel besaßen und oft auf dem Boden schlafen mussten. Sie durften das Haus nur zwischen 14.00 und 17.00 Uhr verlassen.

Am 22. April 1944 wurden die Lebensmittelrationen für die jüdische Bevölkerung drastisch reduziert. Ab dem 1. Mai erhielten sie weder Butter, noch Eier, Reis oder Paprika und Fleisch wurde auf eine Wochenration von 100 Gramm reduziert. Die Budapester Juden erhielten damit kleinere Fleischrationen als die Häftlinge deutscher Konzentrationslager, die laut einer Lebensmittelliste aus dem Jahr 1944 200 Gramm in der Woche hätten erhalten sollen. Selbst diese höchst unzureichenden Rationen waren für Juden oft nicht erreichbar, da sie nur am Nachmittag, wenn Lebensmittel bereits größtenteils ausverkauft waren, das Haus verlassen durften. Nach dem 16. Oktober, als die Lebensmittelversorgung für die jüdische Bevölkerung für zehn Tage abgeschnitten worden war, wurden die Rationen nochmals reduziert, so dass die Tagesration an Brot nur noch 100 – 150 Gramm betrug. Mit 300 Gramm war die Tagesration an Brot in den deutschen Konzentrationslagern laut bereits zitierter Lebensmittelliste doppelt so groß. In der Folge verhungerten viele Budapester Juden.

Die strikte Ausgangssperre bedeutete auch, dass es keine adäquate medizinische Versorgung für Kranke gab. Einzig Medikamente, Verbandzeug und medizinisches Gerät, die mitgebracht worden waren, standen zur Verfügung; wenn diese aufgebraucht waren, gab es keinen Ersatz. Mangels medizinischer Versorgung und wegen der durch Auszehrung erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten wurden viele Juden Opfer von Epidemien. Die Situation verschlechterte sich nochmals im Oktober 1944, als die Pfeilkreuzler die Macht übernahmen, denn die Juden durften in den folgenden zehn Tagen die „Sternhäuser“ nicht verlassen. Auch die Todkranken erhielten keine Hilfe und die Leichen blieben bis zu anderthalb Wochen in den Häusern liegen. Nur in wenigen Ausnahmefällen erhielten Juden zumeist unzureichende Hilfe.

Die jüdische Bevölkerung in den „Sternhäusern“ lebte unter ständiger Todesdrohung und hatte unter Übergriffen zu leiden. Nur wenige Tage nach der Besetzung Ungarns gab es im ganzen Land Überfälle auf Juden sowie Misshandlungen und Plünderungen durch Mitglieder der Wehrmacht und der Waffen-SS. Im Zuge der Ghettoisierung und der Machtübernahme durch Ferenc Szálasi im Oktober 1944 begannen organisierte Pfeilkreuzlerbanden und verschiedene andere Gruppen Juden zu entführen und zu ermorden. Diese als Todesschwadronen bezeichneten Banden entführten Juden, von denen sie annahmen, dass sie vermögend waren, erpressten und folterten sie und ermordeten sie schließlich. Deutsche Soldaten und ungarische Polizisten beteiligten sich an solchen äußerst brutalen Übergriffen. Auch sie folterten, um an vorgeblich versteckte Reichtümer zu gelangen. Tausende Juden starben bei diesen Übergriffen oder begingen Selbstmord, um der Folter zu entgehen.

Obwohl es keine genauen Zahlen der Ermordeten gibt, gehen Schätzungen davon aus, dass uniformierte Pfeilkreuzler allein in der Hauptstadt 10.-20.000 Juden ermordeten, also zwischen einem Zwölftel und einem Sechstel der in Budapest lebenden jüdischen Bevölkerung.

Im Sommer 1944 bereiteten Deutsche und Ungarn unter Anleitung Eichmanns die Deportation der Budapester Juden nach Auschwitz vor. Obwohl die Deportationen von der ungarischen Regierung vorläufig gestoppt wurden, lebten die Juden in Budapest in ständiger Angst.

Juden wurden auch zur Zwangsarbeit eingezogen. Viele Juden aus den „Sternhäusern“ mussten Gräben rund um Budapest ausheben. Diejenigen, die keine Schwerstarbeit leisten konnten, wurden oftmals erschossen. Im Oktober 1944 wurden rund 50.000 Juden aus Budapest auf einen Fußmarsch in das Deutsche Reich gezwungen, wo sie Zwangsarbeit leisten mussten. Als sie die ungarische Westgrenze erreichten, waren bis zu 7.000 Personen auf dem Marsch erschossen worden und weitere 2.000 an Erschöpfung gestorben. Von den geschätzten 35.000 Juden, die entlang des sogenannten Westwalls eingesetzt wurden, starben 11.000 in den folgenden sechs Monaten. Jeder Dritte der aus Budapest deportierten Juden starb infolge dieses Zwangsarbeitseinsatzes.

Die gewalttätigen Übergriffe, die brutale Behandlung bei der Zwangsarbeit und die Anzeichen für die bevorstehende Deportation bedeuteten für die Budapester Juden ein Leben unter ständiger Todesdrohung.

Im November 1944, ordnete die Pfeilkreuzler-Regierung an, die in Budapest verbliebene jüdische Bevölkerung in ein geschlossenes Ghetto zu übersiedeln. Zwischen Dezember 1944 und Ende Januar 1945 trieben die Pfeilkreuzler rund 20.000 Juden aus dem Ghetto, erschossen sie am Donauufer und warfen die Leichen in den Fluss.

Die Sowjetarmee befreite Budapest am 13. Februar 1945. Mehr als 100.000 Juden befanden sich zum Zeitpunkt der Befreiung in Budapest.

Berechtigung für Zahlungen

Zahlungen im Budapest Fonds erhalten nur Personen, die heute ihren ständigen Wohnsitz in einem der Länder des früheren Ostblocks haben. Personen, die eine Entschädigung für ihre NS-Verfolgung aus dem Mittel- und Osteuropa-Fonds, dem Artikel 2-Fonds, dem Hardship Fund, nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) oder vom Israelischen Finanzministerium basierend auf dem Gesetz für „Invaliden der Nazi-Verfolgung“ erhalten oder erhalten haben, sind für eine Zahlung aus dem Budapest Fonds nicht berechtigt.

Die Frist zur Antragstellung endet am 6. August 2009.

Sonderrechtsnachfolger – Ehegatte oder falls nicht vorhanden Kind(er) – können berechtigt sein, wenn der Überlebende selbst alle aufgeführten Kriterien erfüllt und am 4. Juni 2008 oder danach am Leben war. Der Sonderrechtsnachfolger muss die Claims Conference bis zum 31. August 2009 schriftlich darüber informieren, dass er den Antrag aufrechterhalten möchte. Sonderrechtsnachfolger müssen einen gesonderten Antrag stellen (Heir Application Packet, HAP); das Formular wird bei der Claims Conference erhältlich sein und muss bis zum 6. November 2009 ausgefüllt zurückgeschickt werden.

In Übereinstimmung mit früheren Regelungen der Deutschen Regierung für die Berechtigung in Entschädigungsprogrammen werden im Budapest Fonds auch Anträge von Antragstellern akzeptiert, die zur Zeit der Verfolgung der Mutter Föten waren. Die Mutter des Antragstellers muss mit ihr/ihm schwanger gewesen sein, als sie in Budapest zu einem Zeitpunkt zwischen März 1944 und Januar 1945 verfolgt wurde; der Antragsteller selbst muss alle anderen Erfordernisse erfüllen.

Diese Ankündigung umreißt die Berechtigungskriterien nur und ist nicht verbindlich für eine Berechtigung. Die vollständigen Berechtigungskriterien für den Budapest Fonds sind dieser Ankündigung beigelegt und unter www.claimscon.org zu finden

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Die Conference on Jewish Material Claims Against Germany (Claims Conference) ist der 1951 gegründete Dachverband 24 internationaler jüdischer Organisationen. Sie vertritt die Interessen der jüdischen Gemeinschaft bei Verhandlungen zur Entschädigung von NS-Opfern und deren Erben. Im Auftrag der Bundesregierung verwaltet die Claims Conference verschiedene Härtefonds und ist Rechtsnachfolgerin für erbenloses und nicht beanspruchtes jüdisches Vermögen in den neuen Bundesländern. Mit den Verkaufserlösen aus erbenlosem Vermögen fördert sie weltweit eine Fülle von Sozialprogrammen für Überlebende des Holocaust sowie Programme, die der Erinnerung an die Shoah und deren Erforschung gelten.

Kontakt
0036-1-374 3078
Budapest@claimscon.org

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