Frühlingserwachen?

Frankfurt am Main

Frühlingserwachen?

Auf den harten wirtschaftlichen Winter in Großbritannien folgen die ersten Anzeichen eines konjunkturellen Frühlings. Wegen der tiefen Rezession im ersten Halbjahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt im Gesamtjahr 2009 um 3,5 % schrumpfen. Erste, wenn auch noch unsichere Verbesserungen von Konjunkturindikatoren erhöhen die Hoffnung auf eine Stabilisierung im zweiten Halbjahr. Die Bank of England wird vermutlich bis auf weiteres ihren Leitzins auf 0,5 % belassen und die quantitativen Maßnahmen wie geplant durchführen. Die Renditen britischer Staatsanleihen sind gefangen zwischen der Beeinflussung durch die BoE und einer wachsenden wirtschaftlichen Zuversicht. Unter dieser Unsicherheit dürfte vorerst auch das Pfund Sterling leiden, im Jahresverlauf wird die britische Währung aber zulegen können.

1 Konjunktur: Erste Lichtblicke

Im Winterhalbjahr brach das britische Wachstum scharf ein. Nach einer noch einmal nach unten
revidierten Schrumpfung um 1,6 % im vierten Quartal 2008 zeichnet sich für das erste Quartal
2009 ein ähnlicher Rückgang ab. Darauf deuten die angebotsseitigen Daten aus der Industrie und
dem Dienstleistungsgewerbe hin. Nachfrageseitig sieht es nur etwas besser aus: Der private Konsum
dürfte im ersten Quartal knapp 1 % zurückgehen. Im Februar schrumpften zwar die realen
Einzelhandelsumsätze um 1,9 %. Allerdings wiesen die Vormonate Zuwächse auf. Schwach bleibt
der Autoabsatz mit einem Vorjahresrückgang von gut 30 %. Die Stimmungsindikatoren im Einzelhandel
signalisieren kurzfristig keine Besserung. Auch mittelfristig werden die privaten Haushalte
kaum für größere Wachstumsimpulse sorgen. Am Arbeitsmarkt beschleunigt sich die Abwärtsdynamik.
Die Lohnentwicklung wird gerade unter Berücksichtigung von Bonuszahlungen
zunehmend bescheidener. Die verfügbaren Einkommen dürften trotz eines Anstiegs im vierten
Quartal unter Druck geraten. Fallende Immobilienpreise und eine hohe Verschuldung lasten auf
den Haushalten. Auf der anderen Seite stützen die gesunkenen Hypothekenzinsen sowie rückläufige
Energiepreise den privaten Konsum.
Ein Lichtblick kommt vom Markt für Wohnimmobilien. Die Hauspreise stiegen im März gemäß
Nationwide das erste Mal seit Oktober 2007 zum Vormonat an, und zwar um 0,9 %. Eine Trendwende
kann noch nicht ausgerufen werden. Im Vorjahresvergleich bleibt das Minus mit knapp
16 % deutlich. Laut Halifax sind die Hauspreise in den letzten beiden Monaten merklich zurückgegangen.
Insgesamt deuten die letzten Daten bislang eher auf eine sich nicht mehr beschleunigende
Abwärtsdynamik denn auf einen wirklichen Trendwechsel.

Hoffnungsschimmer verbreiten die Unternehmen. Die Einkaufsmanagerindizes in der Industrie
und im Servicesektor erholen sich. Zwar signalisiert der Wert für die Industrie mit 39,1 immer
noch eine tiefe Rezession. Aber dies könnten die ersten Anzeichen für eine Konjunkturstabilisierung
im zweiten Halbjahr sein. Eine Befragung gemäß der British Chamber of Commerce deutet
zumindest im Dienstleistungsgewerbe eine Verbesserung an. Zwar beeinträchtigen zunächst noch
eine schwache Nachfrage und eine rückläufige Profitabilität die Investitionsfreude der Unternehmen.
Die Kreditklemme belastet anscheinend weniger. Die neueste Umfrage der britischen Notenbank
zeigt auf eine erleichterte Verfügbarkeit von Krediten für Unternehmen. Auch rückläufige
Risikoaufschläge bei Unternehmensanleihen sorgen für eine Entspannung bei der Finanzierung.
Einige positive Daten in den letzten Wochen sprechen zwar noch nicht für eine baldige konjunkturelle
Trendwende, aber die Basis für eine Erholung im zweiten Halbjahr dürfte gerade gelegt werden.
Im ersten Quartal hingegen wird das Bruttoinlandsprodukt mit 1,7 % stärker als bislang erwartet
zurückgehen, im Jahresdurchschnitt erhöht sich dadurch das prognostizierte Minus von 3,0 % auf 3,5 %. Im zweiten Halbjahr sollte das BIP aber wieder leicht expandieren.

2 Inflation: Hartnäckig

Während in anderen großen Industrieländern die Teuerung der Nulllinie schon sehr nahe gekommen
ist, stieg sie in Großbritannien im Februar sogar von 3,0 % auf 3,2 % an. Der Anstieg erfolgte
auf breiter Front. Vor allem bei Nahrungsmitteln und im Bereich Erholung und Kultur waren
Preisanhebungen zu verzeichnen. Auch die Transportkosten erhöhten sich aufgrund höherer Benzinpreise.
Dämpfend wirkten nur die Preise für Strom und Gas, die im Gegensatz zum Vorjahr
nicht gesteigert wurden. Die Kerninflation vergrößerte sich von 1,3 % auf 1,6 %. Die Einzelhandelspreise
stagnierten im Vorjahresvergleich nach 0,1 % im Januar. Unter Herausrechnung von
Die hohe Inflation in Großbritannien überrascht. Die sehr schwache Konjunktur und damit verbundene
Überkapazitäten sollten tendenziell die Preise drücken. Die Lohnzuwächse verlangsamen
sich. Die Versorger werden voraussichtlich die Energiepreise in den nächsten Monaten reduzieren
und damit die Teuerung dämpfen. Basiseffekte aus dem Anstieg der Energiepreise im Vorjahr
tragen ebenfalls bis in den Sommer dazu bei. Dass die Disinflation bislang nur gering ausgeprägt
ist, könnte auch durch andere Faktoren bedingt sein: Die Abwertung des britischen Pfunds verteuert
Importprodukte. Möglicherweise ist auch die Lagerkorrektur im britischen Handel bereits sehr
weit vorangeschritten, so dass Verkaufsanreize nur noch in geringerem Ausmaß eingesetzt werden
müssen. Die Inflation dürfte im Jahresverlauf dennoch weiter zurückgehen und könnte im Tief
sogar Null betragen. Ein Rutsch unter die Nulllinie wird aber zunehmend unwahrscheinlicher.
Ängste vor einer nachhaltigen Deflation sind derzeit nicht angebracht.

3 Geldpolitik: In Warteposition

Die Bank of England (BoE) hat ihren Zinssenkungszyklus auf 0,5 % abgeschlossen. Sehr niedrige
Leitzinsen haben möglicherweise keine substantiell stimulierenden Einfluss mehr und könnten
sogar kontraproduktiv wirken, wenn sie die Gewinnmargen der Banken verringern. Wichtiger als
die letzte Zinssenkung war dagegen die Bekanntgabe des Aufkaufs von Wertpapieren bis zu 75
Mrd. Pfund. Die Zentralbank kauft mehrheitlich Staatsanleihen, aber auch Papiere aus dem privaten
Sektor. Mit der damit verbundenen Geldmengenausweitung sollen die nominalen Ausgaben
erhöht werden. Investoren, die ihre Staatsanleihen an die BoE verkaufen, können mit ihrem Erlös
risikobehaftetere Wertpapiere kaufen und somit die Risikoprämien reduzieren. Zusätzlich erhöht
sich die Liquidität bei den Banken. Schließlich kann damit das Vertrauen und die Erwartungen von
Unternehmen und privaten Haushalten erhöht werden. Das Ausmaß der quantitativen Lockerung
begründet die BoE mit einem erwarteten Wegfall von 5 % des nominalen BIP-Wachstums.
Nach dem Entscheid gingen die Renditen für britische Staatsanleihen um über 60 Bp. zurück.

Mittlerweile haben die Zinsen mehr als die Hälfte des Rückgangs wieder aufgeholt, jedoch verringerten
sich die Risikoprämien für Unternehmensanleihen. Der Erfolg der Maßnahmen kann aktuell
kaum beurteilt werden. Die BoE dürfte ihr geplantes Kaufprogramm – 21 Mrd. Pfund hat sie bereits
ausgegeben – vorerst weiter durchführen. Eine Ausweitung der Käufe, für die die Notenbank
bereits eine Erlaubnis hat, dürfte auf der kommenden Sitzung nicht zur Debatte stehen. Deshalb ist
von der anstehenden Notenbanksitzung nicht viel zu erwarten. Die BoE wird erst einmal abwarten,
welche Wirkung die bisherigen Aktionen auf die Märkte und die Wirtschaft entfalten. In den kommenden
Monaten ist hingegen eine Ausweitung nicht ausgeschlossen. Grundsätzlich ist die Strategie
aber nicht ungefährlich, denn sie birgt langfristig erhebliche Inflationsgefahren. Zwar dürfte
die BoE wohl genug Zeit haben, um die Liquidität wieder einzusammeln oder alternativ die Zinsen
wieder anzuheben, bevor sich die Teuerung signifikant beschleunigt. Eine andere Frage ist, ob sie
in diesem Moment diese Maßnahmen tatsächlich vornimmt. Die Inflation lag noch im Februar um
mehr als einen Prozentpunkt über dem angestrebten Ziel von 2 %, was einen Brief des BoEGouverneurs
King an den Schatzkanzler Darling erforderlich machte. Dies sollte die BoE daran
erinnern, dass die Risiken über die kurze Frist hinaus nicht einseitig bei einer zu niedrigen Inflation
liegen.

4 Rentenmarkt: Konjunkturhoffnungen vs. Interventionen

Die Aufkäufe der BoE haben den britischen Rentenmarkt nur temporär stark beeinflusst. Mittlerweile
nähern sich die Renditen wieder den Niveaus vor dem Notenbankentscheid an. Die Aufkäufe
der Zentralbank erfreuen sich eines lebhaften Angebots. Umgekehrt hat der Staat teilweise Probleme
neue Anleihen auf den Markt zu bringen. Die Aussage vom BoE-Gouverneur King, dass sich
Großbritannien angesichts der Verschuldung keine weiteren Konjunkturmaßnahmen mehr leisten
könne, war für den britischen Rentenmarkt nicht hilfreich. Aber auch Hoffnungen auf eine Konjunkturerholung
und eine nachlassende Risikoaversion führten tendenziell zu steigenden Renditen,
nicht nur in Großbritannien.
Das Aufkaufprogramm dürfte in den nächsten Monaten Einfluss auf den Rentenmarkt ausüben und
die Renditen drücken. Deshalb wird der Renditeanstieg vorerst kaum voranschreiten. Konjunkturell
gibt es zwar Hoffnungsschimmer, aber gerade in der nahen Zukunft sind noch einige Rückschläge
zu erwarten. Je weiter das Jahr voranschreitet, desto deutlicher werden sich wohl die wirtschaftlichen
Stabilisierungstendenzen bestätigen. Zu dieser Zeit laufen dann auch die bislang auf drei Monate angesetzten Käufe der BoE aus, so dass sich im zweiten Halbjahr der Renditeanstiegstrend
verfestigen wird. Die Renditen für zehnjährige Gilts werden zum Jahresende vermutlich
wieder auf 4 % notieren.

5 Devisenmarkt: Potenzial für das Pfund im 2. Halbjahr

Das Pfund Sterling konnte teilweise die Verluste nach dem Notenbankentscheid wieder gutmachen.
Eine gesunkene Risikoaversion und nachlassende Konjunkturängste gaben der britischen
Währung wieder Auftrieb. Der Euro-Pfund-Kurs ging von einer Spitze bei von 0,95 auf 0,90 zurück.
Trotzdem ist die bewusste Geldmengenausweitung der BoE ein negativer Effekt für die britische
Währung und könnte noch Rückschläge zur Folge haben. Die Europäische Zentralbank zeigte
sich im Gegensatz dazu vorsichtiger. Sie senkte ihren Leitzins zuletzt nur geringfügig und setzt
derzeit auch keine quantitativen Maßnahmen ein. Sollte die BoE ihre Maßnahmen im Rahmen der
quantitativen Lockerung nicht ausweiten, wird sich das Blatt im Jahresverlauf zu Gunsten des
Pfunds wenden. Die Renditen bei Staatsanleihen notieren in Großbritannien bereits über den Bundesanleihen.
Die Kaufkraftparitäten sprechen ebenfalls für die britische Währung. Wenn die Konjunkturstabilisierung
beginnt und sich 2010 fortsetzt, dürfte die BoE früher als die EZB ihren geldpolitischen Kurs revidieren.

Zinserhöhungen wird es zwar frühestens im Jahresverlauf von 2010 geben, aber an den Renten- und Devisenmärkten könnte dies bereits 2009 zum Thema werden. Deshalb kann der Euro-Pfund-Kurs bereits zum Jahresende wieder auf 0,80 zurückgehen. Der
Weg dahin dürfte aber äußerst volatil verlaufen, kurzfristige Rückschläge sind nicht auszuschließen.
Gegenüber dem US-Dollar dürfte die Bewegung im Jahresverlauf weniger ausgeprägt sein.
Schließlich betreiben mittlerweile beide Notenbanken eine ähnliche Geldpolitik und nutzen quantitative
Maßnahmen. Ein Pfund Sterling wird sich bis Ende 2009 auf 1,50 US-Dollar nur marginal
verteuern.
Hypothekenzinszahlungen und Hauspreisen wuchs die Teuerung im Einzelhandel auf 3,3 %.

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