Höhere Renten für Geringverdiener
Höhere Renten für Geringverdiener
Rentenreform soll Altersarmut entgegenwirken
Das DIW Berlin will drohender Altersarmut mit einer Rentenreform begegnen. „Wir wollen, dass auch Geringverdiener künftig eine ausreichende Rente aus eigener Kraft verdienen können“, sagte DIW-Präsident Klaus F. Zimmermann. Vor allem in Ostdeutschland und bei Geringverdienern droht künftig verstärkt Altersarmut. Mit seinem Reformvorstoß schlägt das DIW Berlin eine Alternative zu der vom NRW-Ministerpräsidenten Rüttgers geforderten steuerfinanzierten Aufstockung von Minirenten vor: „Weniger Altersarmut: Nach unserem Modell geht das auch ohne zusätzliche Steuerfinanzierung.“
Hintergrund des DIW-Vorstoßes ist die Absenkung des Rentenniveaus bis 2030. Gerade im deutschen System kann dies bei Arbeitnehmern mit niedrigem Einkommen verstärkt zu Altersarmut führen. Der Grund: Die Rentenhöhe verläuft proportional zum früheren Arbeitseinkommen. Geringverdiener rutschen also bei einem Absinken der Rentenhöhe künftig schneller unter die Armutsgrenze.
Die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) ist derzeit nach dem Prinzip der so genannten Teilhabeäquivalenz aufgebaut. Diese soll bewirken, dass die Rentenansprüche in einer festen Relation zu den gezahlten Beiträgen stehen. Tatsächlich findet jedoch eine massive Umverteilung zu Gunsten der Bezieher höherer Erwerbseinkommen statt. Der Grund: Bezieher höherer Einkommen haben statistisch eine deutlich höhere Lebenserwartung. Im Schnitt erhalten sie also für jeden eingezahlten Euro deutlich mehr Rente als die Bezieher niedriger Einkommen.
Neue Rentenformel setzt bei Lebenserwartung an
Hier setzt der Reformvorschlag des DIW an: Wird nämlich die Lebenserwartung in der Rentenformel berücksichtigt, führt dies nicht nur zu einer höheren Verteilungsneutralität, sondern auch zu deutlich weniger Altersarmut unter langjährigen Beitragszahlern. Konkret würde dies bedeuten: Wer sehr wenig verdient, erhält bei seiner Monatsrente etwas mehr als den „eingezahlten Euro“. Bei Spitzenverdienern hingegen führt jeder zusätzlich verdiente Euro zu einem etwas flacheren Anstieg der künftigen Rente.
Erarbeitet hat den Reformvorstoß DIW-Forschungsprofessor Friedrich Breyer von der Universität Konstanz. „Es geht darum, mit dem Prinzip der Verteilungsneutralität im deutschen Rentensystem ernst zu machen“, begründet Breyer die Reform. „Bezieht man die Lebenserwartung der verschiedenen Einkommensgruppen in die Berechnung der Rentenansprüche ein, so lässt sich auch der drohenden Altersarmut unter langjährigen Beitragszahlern wirksam begegnen.“ Die Umverteilung zu Gunsten der Besserverdienenden auf Grund ihrer längeren Rentenbezugszeiten hätte damit ein Ende.
Drohende Altersarmut – welche Trends dafür sprechen
Als kritische Schwelle für Altersarmut gilt der Wert, unterhalb dessen das Alterseinkommen (meist eben die Rente) unterhalb dem Niveau der Grundsicherung liegt – sprich auf Sozialhilfeniveau.
Mehrere Faktoren sprechen derzeit für einen künftigen Anstieg von Altersarmut. So wird die jüngste Rentenreform bis 2030 zu einem Absinken der durchschnittlichen Rentenhöhe um 15 Prozent führen. Wer schon heute wenig verdient, hat künftig also eher ein Einkommen unterhalb der Grundsicherung.
Dieser Entwicklung wollte die Bundesregierung bei der Rentenreform durch eine Stärkung der privaten Altersvorsorge vorbeugen. Doch bei Geringverdienern klappt dieser private Vermögensaufbau aus mehreren Gründen nicht – und zwar nicht allein aufgrund der niedrigen Einkommen.
So fehlen vor allem die Anreize zur privaten Altersvorsorge, denn Einkünfte aus der privaten Altersvorsorge werden derzeit auf die Grundsicherung angerechnet.
Außerdem sind für die private Altersvorsorge nur geringe Freibeträge vorgesehen, die im Fall längerer Arbeitslosigkeit nicht aufgebraucht werden müssen. Gerade Geringverdiener sind aber besonders häufig von Arbeitslosigkeit betroffen.
Vor allem in Ostdeutschland gibt die Situation künftiger Rentnergenerationen Anlass zu Besorgnis. Erst in der vergangenen Woche hatte eine DIW-Studie festgestellt: Für die mittleren Altersgruppen von 36 bis 65 Jahren in Ostdeutschland war zwischen 2002 und 2007 ein deutlicher Vermögensrückgang zu konstatieren. Dieser beläuft sich je nach Altersgruppe auf 7 000 bis 14 000 Euro, was einem Rückgang von 10 bis 17 Prozent entspricht.
Während in Westdeutschland die Nettovermögen seit 2002 um gut elf Prozent anstiegen, sind sie in Ostdeutschland um knapp zehn Prozent gesunken. Berücksichtigt man die Inflation, ist der Wert der privaten Vermögen im Osten sogar um 17 Prozent gesunken. Neben der hohen Arbeitslosenquote ist auch der Preisverfall selbstgenutzter Immobilien in Ostdeutschland für diese Entwicklung verantwortlich. Deren durch¬schnittlicher Wert ist in Westdeutschland im Untersuchungszeitraum um rund 6.000 Euro auf 154.000 Euro gestiegen, in Ostdeutschland hinge¬gen um rund 7.000 Euro auf 80.000 Euro gesunken. Selbstgenutzte Immobilien sind nach wie vor die wichtigste Anlageform in Deutschland.
Mit Blick auf die künftige Alterssicherung besorgniserregend ist auch eine weitere Entwicklung: So ist für die mittleren Altersgruppen von 36 bis 65 Jahren in Ostdeutschland ein deutlicher Vermögensrückgang zu konstatieren. Dieser beläuft sich je nach Altersgruppe auf 7 000 bis 14 000 Euro, was einem Rückgang von 10 bis 17 Prozent entspricht.
Jeder eingezahlte Euro ist gleich viel wert – eine Fiktion
Nach dem Prinzip der sogenannten Teilhabeäquivalenz soll jeder eingezahlte Euro zu gleich hohen Rentenansprüchen führen. Auf den ersten Blick funktioniert dieses System tatsächlich: Bezog ein Beitragszahler immer das doppelte Einkommen des anderen (und zahlte daher die doppelten Beiträge), so ist seine monatliche Rente doppelt so hoch wie die des anderen.
Der Mangel dieses Konzept besteht allerdings darin, dass allein die monatlichen Rentenansprüche in einer festen Relation zu den insgesamt gezahlten Beiträgen stehen. Eine Aussage über die Verteilungsneutralität kann aber erst dann getroffen werden, wenn die gesamte (erwartete) Rentenleistung zu den insgesamt gezahlten Beiträgen ins Verhältnis gesetzt wird. Die gesamte Rentenleistung hängt allerdings neben der monatlichen Rente auch von der erwarteten Bezugsdauer der Rente ab, die wiederum von der Lebenserwartung der entsprechenden Einkommensgruppe bestimmt wird. In zahlreichen Studien wird zudem nachgewiesen, dass die Lebenserwartung systematisch mit steigendem Einkommen zunimmt.
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