NIEBEL-Interview für „Die Tabak Zeitung“

Berlin

NIEBEL-Interview für „Die Tabak Zeitung“

Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der aktuellen Ausgabe der „Tabak Zeitung“ das folgende Interview. Die Fragen stellte PETER KÖNIGSFELD.

Frage: Herr Niebel, die CDU hat auf ihrem Bundesparteitag in Stuttgart zumindest für die nächsten Monate dem Ruf nach Steuersenkungen eine klare Absage erteilt. Beruhigt Sie das?

NIEBEL: Im Gegenteil: Es alarmiert uns, wenn die Regierungsparteien ihre Wahltaktik über das Regieren stellen. Deutschland bleibt damit hinter dem zurück, wie unsere europäischen Nachbarn auf die bedrohlichen Folgen der Finanzkrise reagieren: Sie senken die Belastungen für die Bürger, um die Kaufkraft zu stärken – und hier bleibt es beim allmonatlichen tiefen Griff der großen Koalition in die Tasche des Steuerzahlers.

Frage: Wenn die FDP jetzt nach Steuersenkungen bzw. -entlastungen ruft, dann bleibt aber doch festzuhalten: Die Hälfte der Haushalte zahlt keine Steuern. Da verpufft doch die Wirkung völlig!

NIEBEL: Falsch, Sie vergessen die Verbrauchssteuern. Unser Ansatz ist weitreichender: Jetzt geht es um Weichenstellungen, die konjunkturell und strukturell Wirkung entfalten und die langfristigen Wachstumskräfte stärken. Das können neben Infrastrukturmaßnahmen nur Steuer- und Abgabensenkungen sein. Ab 1. Januar machbar wären die steuerliche Absetzbarkeit der Krankenkassenbeiträge, die Wiedereinführung der Pendlerpauschale, eine Minderung – zumindest keine Erhöhung – der Sozialabgaben und damit der Lohnzusatzkosten. Allein mit dem Gesundheitsfonds kommt eine Anhebung von 0,6 Beitragssatzpunkten über uns. Zudem ist in der gesetzlichen Rentenversicherung genügend finanzieller Spielraum, um den Beitragssatz um 0,3 Prozentpunkte zu senken. Und: Die Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags ist überfällig – und zwar auf 8 000 Euro für jedes Familienmitglied, also auch für die Kinder, ebenso die Absenkung des Einkommensteuertarifs für kleine und mittlere Einkommen. Und Familien, die den Freibetrag nicht nutzen können, erhalten monatlich 200 Euro Kindergeld für jedes Kind.

Frage: Bedauern Sie es, dass sich die Wirtschaftsexperten der Union auf dem Parteitag nicht haben durchsetzen können?

NIEBEL: Wir sehen das illusionslos: Die CDU hat alles auf den September 2009 ausgerichtet, auf die Kanzlerin und ihre guten Umfragewerte – und sie meint, das reicht. Die CSU sieht das als gebranntes Kind etwas anders. Wir meinen: Jetzt muss die Wende kommen, weg vom Kurs der Hochsteuerpolitik. Frau Merkel zaudert aber immer noch. Das Risiko trägt dabei ganz Deutschland.

Frage: Bleibt die Union immer noch Ihr Lieblingskoalitionspartner?

NIEBEL: Es geht um keine Liebschaft sondern um Partnerschaft für eine entschlossene, auf Wachstum gerichtete Politik durch eine Entlastung für Bürger und Wirtschaft bei Steuern, Abgaben und Sozialbeiträgen. Die Union könnte, wenn sie wollte…

Frage: Herr Niebel, die aktuelle Finanzkrise scheint zumindest für den Moment gebannt zu sein. Die FDP unterstützt, wenn auch mit der Faust in der Tasche, das Finanzrettungspaket der Bundesregierung. Glauben Sie, dass die soziale Marktwirtschaft Schaden gelitten hat?

NIEBEL: Die Marktwirtschaft ist heute so gefährdet wie zu Ludwig Erhards Zeiten. Nicht erst als Folge der akuten Finanzmarktkrise. Die Ordnungspolitik der neoliberalen Väter der sozialen Marktwirtschaft liefert ein geeignetes Instrumentarium, weil sie Prävention mittels eines stabilen und passenden Ordnungsrahmens ermöglicht. Das erspart in der Regel Feuerwehrleute wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren Finanzminister Peer Steinbrück, die erst mit dem Wassereimer ausrückten, um einen Brand zu löschen, und die sich erst nach einer geschlagenen Woche auf Feuerwehr und Martinshorn besonnen haben. Wenn man bedenkt, wie Helmut Schmidt wohl gehandelt hätte…

Frage: Alle schreien jetzt plötzlich nach mehr staatlicher Kontrolle. Wird die FDP als Partei der Deregulierung im kommenden Bundestagswahlkampf antreten?

NIEBEL: Die FDP ist die Partei der Sozialen Marktwirtschaft und ihrer Erneuerung. Deregulierung ist nicht mehr und nicht weniger als eines der marktwirtschaftlichen Instrumente. Erster Grundsatz der Verfassung jeder Marktwirtschaft ist der Ordnungsrahmen für Geld und Währung. Verantwortlich für die Gestaltung und Sicherung einer stabilen Ordnung der Währungs- und Finanzmärkte ist die Politik. Sie erfüllt ihre Aufgabe – mal gut, mal weniger gut – im Auftrag der Bürger. Letztlich ist er es also, der Bürger, der diese Ordnung schafft, erhält oder verändert. Das gilt heute wie vor 60 Jahren. Wir werben für mehr marktwirtschaftliche Vernunft – und um deren Anhänger.

Frage: Eine andere Ebene: Die Drogen- und Suchtbeauftrage Frau Bätzing mit ihren Plänen hinsichtlich geplanter Werbungsverbote müsste nicht gerade Ihre Lieblingspolitikerin sein?

NIEBEL: Sie setzt leider eher auf Zwang als auf Überzeugung und Motivationsanreize.

Frage: Sind dann Werbeverbote für Tabak und Alkohol der richtige Weg oder nur Augenwischerei?

NIEBEL: Vor allem sind sie inkonsequent und passen nicht in eine freiheitliche Gesellschaft. Entweder Tabak und Alkohol werden zu illegalen Drogen erklärt, wobei der Staat auch auf die lukrativen Steuereinnahmen verzichtet – dann wäre ein Verbot die logische Folge. Jeder weiß, was in Amerika während der Prohibition los war. Verzichtet der Staat aber auf solche rigorosen Lösungen, dann hat er auch kein Recht, Werbeverbote für legale Erzeugnisse zu verhängen. Leider ist es in Mode gekommen, dass der Gesetzgeber dem Bürger zunächst und überall misstraut und nicht hilft, die für ihn richtigen Entscheidungen zu treffen.

Frage: Stichwort Einheitsverpackungen! Wie sehr sind denn Pläne auf EU-Ebene mit den liberalen Grundeinstellungen eines freien Marktes vereinbar, die da vorsehen, kritische Produkte (wie Tabak, wie Alkohol, wie Kinder-Überraschungseier, wie Süßigkeiten etc.) mit einem Werbebann zu belegen oder nur noch einheitlich zu bewerben – so dass die Individualität des Produktes verloren geht?

NIEBEL: Gar nicht. Der Europa-Wahlkampf steht vor der Tür. Wir werden uns solcher Themen annehmen. In Bayern hat die Verbieteritis vom Wähler zu Recht eine Abfuhr bekommen. Es lohnt sich, den Schulmeister-Staat so nicht länger hinzunehmen.

Frage: Wie liberal ist eine Gesellschaft, die von Ihren Bürgern einerseits Eigenständigkeit fordert – wenn es um die finanzielle Eigenversorgung geht und anderseits den Bürger in seiner Freiheit bevormunden will?

NIEBEL: Unsere Gesellschaft ist liberaler als unser Staat. Politische Mehrheitsverhältnisse können durch Wahlen verändert werden. Der Bürger muss wohl noch aktiver von diesem Grundrecht Gebrauch machen. Und unsere Aufgabe ist es, liberale Politik grundsatztreu und attraktiv anzubieten.

Frage: Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) verfolgt ein weltweites Totalverbot der Tabakwerbung. Und damit auch das Verbot jeglicher kommerzieller Kommunikation. Ist das ein mit dem liberalen Verständnis vereinbar?

NIEBEL: Das ist es nicht und demgemäß werden wir uns politisch verhalten und uns auch um mehr Einfluss auf solche Entscheidungen bemühen.

URL: www.liberale.de

350726