So ticken die Deutschen: ‚Lebensqualität und Selbstentfaltung‘ statt ‚Ruhe und Ordnung‘

Berlin

So ticken die Deutschen: ‚Lebensqualität und Selbstentfaltung‘ statt ‚Ruhe und Ordnung‘
Wertewandel verbindet Ost- und Westdeutsche
Welche Werte sind den Deutschen wichtig? Woran orientieren sie sich in der Familie oder im Beruf? Eine Studie des DIW Berlin zeigt jetzt: Selbstentfaltung, Lebensqualität, Emanzipation und gesellschaftliche Beteiligung gewinnen zunehmend an Bedeutung gegenüber sozialem Aufstieg und wirtschaftlicher Sicherheit. Weiteres Ergebnis: 20 Jahre nach dem Fall der Mauer gibt es kaum noch Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen.
Für die Soziologen am DIW Berlin ist klar: Sogenannte postmaterialistische Werte gewinnen immer mehr Bedeutung. Sprich: ‚Lebensqualität und Selbstentfaltung‘ statt ‚Ruhe und Ordnung‘. Die meisten Postmaterialisten gibt es unter Selbständigen, Menschen mit Abitur, Anhängern von Bündnis 90/Die Grünen und in der jüngeren Generation.
Die auf der Grundlage des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) erhobenen Daten zeigen: In den letzten 20 Jahren ist der Anteil der Menschen mit postmaterialistischen Werten unter den Westdeutschen von 38 auf 47 Prozent gestiegen. ‚Besonders überrascht hat uns, dass sich in Ostdeutschland innerhalb von nur zehn Jahren der Anteil der Postmaterialisten von 22 Prozent auf 45 Prozent verdoppelt und damit fast das westdeutsche Niveau erreicht hat‘, sagte der Autor der Studie Martin Kroh.
Unionsanhänger eher materialistisch orientiert
Der Wertewandel zeigt sich gesellschaftsübergreifend und ist nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt. Der Zusammenhang jeweils zwischen Postmaterialismus und Bildung, Einkommen oder beruflicher Stellung ist relativ gering. Lediglich im Hinblick auf die parteipolitische Präferenz zeigt sich ein starker Zusammenhang: So sind zum Beispiel die Anhänger von Bündnis90/Die Grünen zu drei Vierteln Postmaterialisten, während die Anhänger der Unionsparteien zu zwei Dritteln Materialisten sind. Auffallend ist auch, dass jede Generation postmaterialistischer eingestellt ist als ihre Vorgängergeneration. ‚Falls dieser Trend anhält, wird die Politik immer mehr mit verteilungs- und umweltpolitischen Fragen der Bürger konfrontiert werden‘, sagte Kroh. ‚Auch die Arbeitgeber werden gefordert sein, zum Beispiel mehr in die individuelle berufliche Entwicklung der Beschäftigten zu investieren‘.
Wertewandel: Immer mehr Ost- und Westdeutsche ticken postmaterialistisch. Von Martin Kroh. In: Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 34/2008.
Außerdem im Wochenbericht:
– Materialistisch oder nicht? Werte prägen vor allem das Wahlverhalten. Fünf Fragen an Martin Kroh.
– Zunehmende wirtschaftliche Integration fördert regionale Währungskooperation in Asien. Von Erik Klär.
– Stürzt die deutsche Konjunktur in eine Rezession? Kommentar von Klaus F. Zimmermann.
Hintergrundinformation SOEP:
Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist eine seit 25 Jahren laufende Langzeitbefragung von mehr als 10.000 deutschen Haushalten. Das am DIW Berlin angesiedelte SOEP gibt Auskunft über Faktoren wie Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung oder Gesundheit. Weil jedes Jahr die gleichen Personen befragt werden, können langfristige soziale und gesellschaftliche Trends besonders gut verfolgt werden.
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