Trotz hoher Preise im Jahr 2008: Ungebrochene Kraftstoffnachfrage

Hamburg

Trotz hoher Preise im Jahr 2008: Ungebrochene Kraftstoffnachfrage

Nach vorläufigen Hochrechnungen der in Hamburg ansässigen ExxonMobil wird 2008 sicherlich nicht nur als ein Jahr extremer Preisbewegungen in die Annalen der Mineralölgeschichte eingehen. Insbesondere vom Heizöl getrieben, gab es auch ungewöhnliche, sprunghafte Nachfrageentwicklungen. Dennoch war der drastische Preisrückgang für viele Marktteilnehmer eine herbe Überraschung, hatten sie teilweise doch schon Notierungen von über 200 US Dollar pro Barrel in Reichweite gesehen. Noch unangenehmer war die Trendwende für die Anleger, die an diese nicht mit Fundamentaldaten unterlegten Prognosen geglaubt hatten.

Preisentwicklung

Trotz einiger Schwankungen behauptete sich ein starker Euro gegenüber dem US Dollar, der für den Mineralölhandel ausschlaggebenden Währung. Diese Parität dämpfte zwar die extremen Ausschläge für den deutschen Markt, verhindert werden konnten sie hingegen nicht. Im Jahresdurchschnitt kostete Rohöl (Brent) in Rotterdam 99 US Dollar pro Barrel (159 Liter), also 27 US Dollar pro Barrel mehr als im Vorjahr. Dieser Anstieg um 37 Prozent täuscht jedoch darüber hinweg, dass es 2008 übersteigerte Preisentwicklungen in beide Richtungen gab: Die Tagesnotierungen reichten von 144 US Dollar pro Barrel im Juli bis 39 US Dollar pro Barrel im Dezember. Allein dieser Preisunterschied ist höher als die Notierung, die noch 2007 als Schallmauer gehandelt wurde: 100 US Dollar pro Barrel.

Die blieb allerdings in diesem Jahr von März bis August fortlaufend durchbrochen. Der massive Preisverfall, der bereits im Juli begann, bedeutet ein zunehmendes Problem für solche Länder, die mit dem größten Teil der von den staatlichen Ölgesellschaften verdienten Petrodollars andere Ziele verfolgten als notwendige Reinvestitionen, die sich erst langfristig auszahlen. Schwierig wird es auch für solche Unternehmen und staatlich subventionierte Unterfangen, deren Investitionsvorhaben auf einem hohen und darüber hinaus steigenden Ölpreis fußen, weil sich nun die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte anders darstellt. So verblüffen die jüngsten Opec Beschlüsse nicht, die täglichen Fördermengen ab dem 1. Januar 2009 auf 25 Millionen Barrel zu stutzen in der Erwartung, damit die Preisschraube in die andere Richtung drehen zu können. Auch Russland hat verkündet, zu diesem Zweck seine Fördermengen zurückzunehmen. Die Mineralölmärkte haben auf diese absehbaren Ankündigungen bislang nicht reagiert und es bleibt spannend zu beobachten, ob das verknappte Angebot die konjunkturell bedingte globale Nachfrageschwäche mit dem gewünschten Erfolg ausbalancieren wird. Die Frage, ob das billigere Öl zu einem fulminanten Wirtschaftsaufschwung in den Industrieländern geführt hätte, wäre nicht die Finanzkrise ausgebrochen, bleibt hypothetisch, denn die steigenden Preise im ersten Halbjahr beeindruckten die gute Konjunkturlage keineswegs negativ.

Im Gleichschritt zum Rohöl entwickelten sich in Rotterdam die Notierungen für Diesel. Im Durchschnitt stiegen sie gegenüber Vorjahr um 274 US Dollar die Tonne auf 947 US Dollar pro Tonne, also um über 40 Prozent. Dabei wurde bereits im Mai eine Rekordmarke gesetzt mit 1.360 US Dollar für eine Tonne, deren Preis im Dezember zeitweilig ins andere Extrem gefallen war, nämlich auf 445 US Dollar. An den Tankstellen spiegelte sich diese Achterbahnfahrt wider, doch sorgte der teilweise aggressive Wettbewerb dafür, dass die Preise, gemessen an ihren Höchstständen im Sommer, stärker fielen als an den internationalen Handelsplätzen. Das schlug sich auch im Preisvergleich innerhalb der inzwischen auf 27 Staaten angewachsenen EU Mitglieder nieder, obwohl der deutsche Gesetzgeber im Alleingang eine Beimischungsquote von knapp fünf Volumenprozent Biodiesel (FAME) vorgeschrieben hatte: Auf unversteuerter Basis gehörte Deutschland zu den Ländern, in denen der Diesel mit am günstigsten angeboten wurde. Für den Autofahrer ist diese Betrachtung nur theoretisch interessant, denn an den Tankstellen sah er sich Bruttopreisen gegenüber, die im deutschlandweiten Mittel zwischen 1,56 und 1,06 Euro pro Liter lagen. Im Jahresdurchschnitt mussten Dieselfahrer pro Liter 17 Cent tiefer in die Tasche greifen als 2007.

Tendenziell gleichartig entwickelten sich dazu die Benzinpreise in Rotterdam im Gegensatz zu den Vorjahren: Das Produkt wurde ausnahmslos günstiger gehandelt als Diesel. Allerdings gab es während des Jahres ebenfalls eine erhebliche Bandbreite: Die Notierungen für Ottokraftstoff schwankten zwischen 1.199 US Dollar die Tonne als Höchststand im Juli und zeitweilig 320 US Dollar pro Tonne Anfang Dezember. Deutschlandweit gab es zwischen den Höchst- und Tiefstständen im Jahr einen Unterschied von 51 Cent pro Liter: Die Bandbreite reichte von 1,11 bis 1,62 Euro pro Liter. Im Jahresdurchschnitt war das Produkt an der Tankstelle pro Liter 7 Cent teurer als 2007. Damit lag es auf unversteuerter Basis in Deutschland ebenfalls am unteren Ende beim Vergleich aller EU Staaten, obwohl der deutsche Gesetzgeber auch für Ottokraftstoffe Bio-Beimischungsquoten vorgeschrieben hatte. Da vom Autofahrer pro Liter Benzin rund 79 Cent als Sockellast an den Staat zu bezahlen sind (mit 19 Prozent versteuerte 66 Cent Mineralölsteuer), schlugen alle Rechenmodelle fehl, mit denen relative Abhängigkeiten der Preisbewegungen zwischen Rohöl- und Benzinpreisen an den Tankstellen suggeriert werden sollten.

Energieverbrauch in Deutschland

Der Primärenergieverbrauch 2008 wird voraussichtlich mehr als zwei Prozent über dem Vorjahr liegen. Als Summe von Einflussfaktoren – wie erheblich niedrigere Temperaturen von Januar bis Juli, verstärkte Wirtschaftsleistung infolge der Konjunkturlage und hohe Energiepreise – ist insbesondere in den ersten drei Quartalen ein Anstieg von 470 auf 480 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten zu erwarten. Davon entfallen etwa 57 Prozent auf Mineralöl (34 Prozent) und Erdgas (23 Prozent), die im Vorjahresvergleich ihre Bedeutung als Energieträger um insgesamt elf Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten ausgebaut haben. Steinkohle wird trotz ihres um vier Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten reduzierten Anteils mit etwa 13 Prozent ihren dritten Platz behaupten. Mit einem um drei Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten gestiegenen Beitrag schiebt sich die Kernenergie jedoch vor die weiterhin rückläufige Braunkohle, die noch elf Prozent des Bedarfs deckt. Leicht gestiegen gegenüber Vorjahr erreichen die erneuerbaren Energieträger gute sieben Prozent.

Mineralölabsatz in Deutschland im Vorjahresvergleich

Der letztjährige Absatzeinbruch im Inland begründete keinen Trend: Gegenüber 2007 stieg der Bedarf um sechs Millionen Tonnen, von denen 92 Prozent allein auf eine erhöhte Nachfrage bei leichtem Heizöl zurückgehen. Der Kraftstoffbedarf insgesamt bewegte sich mit 50,5 Millionen Tonnen auf Vorjahresniveau. Allerdings verschoben sich die Anteile der unterschiedlichen Sorten und Qualitäten: Der auch wegen des erhöhten Güterverkehrsaufkommens verstärkte Bedarf an Diesel ging zu Lasten von Ottokraftstoffen, was sich auch in den Zulassungszahlen der Privatfahrzeuge widerspiegelt. Während insbesondere das Luftfrachtaufkommen die Nachfrage nach Flugturbinenkraftstoffen erhöhte, wird der Absatz bei Rohbenzin und schwerem Heizöl insgesamt um eine Million Tonnen schrumpfen.

Ottokraftstoff

Mit minus 0,8 Millionen Tonnen setzte sich der Nachfragerückgang bei Ottokraftstoffen abgeschwächt fort. Dabei verlagerte sich der Absatz von Normalbenzin (91 Oktan) zu Super (95 Oktan). Nur das preisintensive Segment Super Plus (mindestens 98 Oktan) behielt seine Abnehmer, unbeeindruckt von der Preisentwicklung. Zum Jahresausgang waren die Rotterdamer Notierungen für die Qualitäten Normal und Super wieder gleichpreisig. Demgegenüber wurde während der ersten drei Quartale in Rotterdam Benzin mit 91 Oktan höher gehandelt als das Produkt mit 95 Oktan: Nachfragezuwächse aus dem asiatischen Raum erzeugten ebenso einen Sog wie Hurrikan bedingte Raffinerieausfälle in den USA: Mit Zukäufen schwefelarmer Ware auf dem europäischen Markt wurden die dort herrschenden unterschiedlichen Qualitätsanforderungen und die dafür wenig geeigneten Raffineriestrukturen überbrückt. Die so entstandene Preisanomalie konnte aus Wettbewerbsgründen nicht an den deutschen Tankstellen abgebildet werden, sondern beide Qualitäten wurden zum Einheitspreis angeboten, wie es sich bereits Ende letzten Jahres abgezeichnet hatte. Das hatte zur Folge, dass der Autofahrer zunehmend die bessere Qualität tankte, da auch ältere Fahrzeuge von der höheren Klopffestigkeit profitieren können.

Dieselkraftstoff

Die Notierungen an den internationalen Märkten zogen insbesondere in den Sommermonaten scharf an. Der Nachfrageboom ist im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur Olympiade in China zu sehen, da er nach Abschluss der Spiele wieder abebbte: Mangels einer flächendeckenden Stromversorgung wurde das Produkt gebraucht, um die vielen mit Diesel betriebenen Generatoren in Gang zu halten. Die Preise überstiegen die Benzinnotierungen Ende Juli / Anfang August so deutlich, dass der in Deutschland gewährte Steuervorteil kompensiert wurde. Die gute Konjunkturlage, die stets verbunden ist mit einem erhöhten Transportaufkommen, ließ den Absatz auch im Inland steigen.

Heizöl

Beim Heizöl zahlten sich in diesem völlig atypischen Jahr gute Nerven beim Endverbraucher aus. Obwohl die Jahresanfangsbestände in den privaten Tanks unter dem langjährigen Mittel lagen, wurden sie angesichts der milden Temperaturen während der Heizperiode nicht aufgefüllt. Unterstützt wurde dieses Verhalten durch hohe Preise. Bis Ende des ersten Halbjahrs blieb die Bevorratung etwa zwölf Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt, der Ende des dritten Quartals jedoch getroffen wurde. Wer weiterhin mit seiner Bestellung warten konnte und auf sinkende Preise setzte, hatte gut Lachen: Infolge der sinkenden Preise zog der Bedarf allerdings so plötzlich an, dass es bei vielen Heizölhändlern Lieferschwierigkeiten gab, weil es unmöglich war, zusätzliche Tankwagen zum Ausfahren der Ware anzumieten. Offensichtlich lasteten die Verbraucher ihre Kapazitäten bestmöglich aus, denn zum Jahresende waren die Bestände so hoch wie im Dezember 2006, als die Bevorratung wegen der bevorstehenden Mehrwertsteuererhöhung vorgezogen worden war. Mit dem diesjährigen Nachfrageanstieg um 5,5 Millionen Tonnen ist also nicht gesagt, dass der generelle Bedarfsrückgang bei Heizöl gestoppt ist.

Schweres Heizöl, Rohbenzin und Jetfuel

Wegen seiner hohen Preise wurde schweres Heizöl von der Industrie durch andere Energieträger substituiert, so dass die Nachfrage um über vier Prozent zurückging. Auf den ersten Blick erstaunlich ist der im gleichen Verhältnis geschrumpfte Bedarf an Rohbenzin. Gewöhnlich ist es ein guter Indikator für die Konjunkturentwicklung, weil es als Rohstoff in der petrochemischen Industrie Verwendung findet. Demzufolge wäre ein Anstieg zu erwarten gewesen, der aber durch den Ausfall einiger zu technischen Überholungszwecken abgestellter Raffinerien ins Gegenteil verkehrt wurde. Der erneute Anstieg bei Jetfuel zeigt, dass die Zunahme des Flugverkehrs ungebrochen ist.

Versorgung

Das Rohölimportvolumen sank um 1,4 Prozent. Dabei blieb die Bedeutung der Hauptlieferländer GUS, Norwegen, Großbritannien und Libyen gegenüber Vorjahr unverändert bei 80 Prozent. Während Großbritannien aber die geringeren Mengen aus den GUS Staaten vollständig kompensierte, zeigte sich die Importreduzierung vor allem bei libyschem aber auch bei norwegischem Öl. Gegenüber 2007 verschoben sich die Anteile von Öl aus der Nordseeregion und den Opec Staaten: Die Beiträge der europäischen Nordseestaaten sanken in diesem Jahr um zwei Prozentpunkte auf 28 Prozent, während sich die relative Bedeutung der Einfuhrmengen aus den Opec Staaten von knapp 20 Prozent auf gute 21 Prozent steigerte.

Konstanz zeichnete die „Hardware“ im Raffineriebereich aus: Sowohl die Destillations- als auch die Konversionskapazität blieben gegenüber Vorjahr unverändert. Wegen technischer Überprüfungen geplante Stillstände reduzierten den Bedarf der Raffinerien an Rohöl- und Produkten-Einsatz um zwei Prozent auf 120 Millionen Tonnen. Entsprechend sank die Auslastung der Destillationskapazität um einen Prozentpunkt, was folgerichtig zu einem Anstieg der Produktenimporte führte.

Weitere Informationen finden Sie auf www.exxonmobil.de351740